Wie viel Medizin überlebt der Mensch? by Günther Loewit

Wie viel Medizin überlebt der Mensch? by Günther Loewit

Autor:Günther Loewit [Loewit, Günther]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Fachbücher, Medizin, Grundlagen, Medizin & Gesellschaft, Bioethik, Wörterbücher & Nachschlagewerke, Allgemein, Ratgeber, Gesundheit & Medizin, Gesundheitslexika & Medikamentenratgeber, Literarische Belletristik
ISBN: 9783709975398
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2012-08-19T18:30:00+00:00


Lebensbegleiter Arzt

Ein Mitgrund für die steigenden Patientenzahlen ist auch die Tatsache, dass die Medizin nicht mehr ausschließlich die Heilung Kranker als ihren Hauptzweck ansieht. Die moderne Gesundheitsindustrie hat den Anspruch, den Menschen durch alle Lebensabschnitte und -bereiche zu begleiten und dabei bestmöglich und andauernd zu betreuen, unter dem kritischen Blick staatlicher Institutionen – Medizin als lebensumfassende Geschäftsidee. Denn einerseits getraut sich zurzeit niemand zu sagen, dass diese medizinische Dichte nicht notwendig oder sogar schädlich ist, andererseits sind die Kosten nicht mehr kontrollierbar.

Der Mensch ist zum lebenslänglichen Patienten geworden, der Arzt zum Verwalter seines Wissens und Anwender von vorgegebenen Verfahrenswegen. Am besten sollte der Mensch keinen Schritt mehr tun, keinen Gedanken mehr denken, keinen Entschluss mehr fassen, ohne zuerst mit der Gesundheitsindustrie Rücksprache gehalten zu haben.

In einer österreichischen Tageszeitung gab 2011 ein Sportmediziner auf der Gesundheitsseite unter der Überschrift „Vier Schritte zum aufrechten Gang“ folgende Tipps:

„Erster Schritt: Wer schon längere Zeit nicht mehr länger gegangen ist, sollte sich von einem Sportarzt untersuchen lassen. Sicherheit geht vor!

Zweiter Schritt: Langsam beginnen. Untrainierte sollten am Anfang nicht zu schnell und auch nicht zu weit gehen.

Dritter Schritt: Wichtig ist die Haltung!“

Der vierte Schritt regelt noch die Zeitdauer des Gehens und verspricht zum Abschluss: „Wer sich an diese Punkte hält, kann den Alterungsprozess nachweislich verlangsamen.“

Dann findet sich noch fast beiläufig ein Link zur Website des Sportmediziners.

Ähnliche Tipps liest man im Übrigen auch immer wieder, wenn es um die Fortpflanzung geht – auch hier wird der Gang zum Arzt als erster Schritt dringend angeraten.

Bevormundung, Entmündigung auf Schritt und Tritt, permanente ärztliche Untersuchungen zur Sicherheit. Gehen nicht mehr um des Gehens willen, sondern um dem Alterungsprozess zu entkommen, Laufen, um der Realität, dem Alt-Werden, davonzulaufen.

Dabei muss man sich doch fragen: Wenn das Alter, der Alterungsprozess ständig bekämpft und hinausgezögert werden soll, warum hat dann unsere Gesellschaft einen so hohen Anteil an alten Menschen? Ist alt zu werden unser herausragendes Lebensziel geworden? Bekämpft die Gesundheitsindustrie etwa stets das, wovon gerade Überfluss herrscht?

In den 1960er-Jahren die hohen Geburtenzahlen mittels der Antibabypille, heute das Altern mit Anti-Aging-Produkten, Pillen, Operationen und Fitnessstudios?

Und warum ist ausgerechnet die Dauer des Lebens so bedeutend geworden? Warum wird nicht der Inhalt gemessen? Oder passt unser Denken etwa perfekt zur Oberflächlichkeit einer Wohlstandsgesellschaft?

In einem ersten Schritt Verunsicherung zu schaffen und im zweiten die Lösung anzubieten, künstliche Fragen mit künstlichen Antworten zu erwidern – das ist ein althergebrachtes und bewährtes Geschäftsmodell. Fast täglich erklärt eine der unzähligen medizinischen Fachgruppen, wie wichtig die Vorbeugung gegen, und die rechtzeitige Erkennung von Bluthochdruck, Gebärmutterhalskrebs, Depression, Burnout-Syndrom, Allergien, Haut-oder Brustkrebs, schlechter Haltung, Bandscheibenschäden, grauem oder grünem Star usw. wäre. Alles einwandfrei dokumentiert, durch Fallzahlen hinlänglich untermauert. Unbestreitbar, korrekt. Aus Sorge um den Menschen!

Und die Lösung, Erlösung: Die regelmäßige Untersuchung beim Facharzt für die jeweilige Erkrankung. Keine Arbeitslosigkeit für Ärzte, keine Arbeitslosigkeit für Patienten. Die berühmten 10 % des BIP (mittlerweile liegt der Wert sogar noch höher) wollen umgesetzt, vielleicht auch noch gesteigert werden. Geld spielt keine Rolle, es gibt keinen höheren Wert als das individuelle Leben und die Gesundheit. Diesem Dogma muss alle Vernunft untergeordnet werden.



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