WIE GUT IST IHRE ALLGEMEINBILDUNG? - KULTUR by Martin Doerry / Markus Verbeet

WIE GUT IST IHRE ALLGEMEINBILDUNG? - KULTUR by Martin Doerry / Markus Verbeet

Autor:Martin Doerry / Markus Verbeet
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30500-5
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-03-02T16:00:00+00:00


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Herr Karasek, was ist Kultur?

Kultur ist jede über den bloßen Lebenserwerb oder Lebenserhalt hinausgehende Äußerung und Entäußerung des Menschen.

Also ist Kultur die Gegenwelt zur materiellen Welt?

Die Ergänzungswelt und ihre Spiegelung und ihre zweite Halbschale, ohne die sie nicht sein kann.

Sie sind viele Jahre Kulturchef des SPIEGEL gewesen. Wie hat sich der Kulturbegriff, also das, was man heute zur Kultur zählt, überhaupt entwickelt?

Am Anfang der Menschheitsgeschichte war Kultur etwas Elitäres. Der Ursprung der Kultur liegt in der Religion, schon der Begriff Kult kommt daher. Jede Religion hat eine Priesterschaft, die über ein besonderes Wissen verfügt und es nur an Ausgewählte weitergibt. Kultur war zudem weitgehend denjenigen vorbehalten, die schreiben und lesen konnten oder sich in Bild und Ton auszudrücken in der Lage waren. Erst mit der Buchdruckerkunst und dem Beginn der Neuzeit hat sich der Kulturbegriff ungeheuer erweitert.

Weil sich die Zahl der Empfänger vergrößert hat?

Jedenfalls, wenn sie es sich leisten konnten. Die Fürsten haben mit höfischer Kultur gewetteifert, wer die besten Maler hatte, am französischen Hof Molière, am englischen Hof Shakespeare oder Tasso, Goethes Drama. Kultur war immer auch an Mäzene gebunden, die sich Kultur leisteten. Diese Mäzenatenrolle haben später Städte und Gemeinden und Staaten übernommen. Die Kulturförderung ist dann mit dem Bildungsauftrag eine staatliche Aufgabe geworden.

Von Joseph Beuys stammt die Devise »Jeder Mensch ein Künstler«. Ist Kultur heute also für jedermann zugänglich?

Der Begriff Kultur hat sich mit der Popkultur tatsächlich noch einmal total geweitet. Warhol und andere Künstler der Sechzigerjahre haben gesagt, jeder könne Kultur schaffen, jedenfalls für einen Augenblick.

War zu Beginn Ihrer Karriere als Journalist die Popmusik in den Feuilletons schon akzeptiert?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe dann aber Mitte der Sechzigerjahre bei der Stuttgarter Zeitung in einer Wochenendbeilage über das Münchner Beatleskonzert geschrieben. Das war irgendwie unerhört, dass dort, wo sonst immer nur eine neue Bibelausgabe oder ein neues Buch von Grass besprochen wurde, plötzlich die Beatles auftauchten.

Das heißt, die populäre Kultur wurde gesellschaftlich angenommen?

Wobei der SPIEGEL mit seinem Herausgeber Rudolf Augstein zu dieser Öffnung zur Popkultur auf eine seltsame Weise beigetragen hat, sein Heidegger-Gespräch – wenn Sie so wollen: höchste Philosophie – ist als Popkultur im SPIEGEL gelaufen. Das kann man wirklich als einen Meilenstein betrachten.

Das Gespräch wurde 1966 geführt, aber verabredungsgemäß erst nach Heideggers Tod, 1976, veröffentlicht.

Genau, Augstein und Heidegger sind auch noch zusammen gewandert. Es gibt wunderbare Bilder davon. Wir haben so etwas dann noch einmal versucht, in einem Gespräch mit Ernst Jünger. Ich weiß noch, wie Augstein mit Ernst Jünger gesungen hat »In einem Polenstädtchen, da wohnte einst ein Mädchen ...«. Das war ziemlich komisch, und zumindest beim Singen war Jünger fitter als wir damals.

Was hat das mit Popkultur zu tun?

Also Popkultur hatte immer zweierlei, erst einmal kam sie von Warhol, von der Popmusik, vom Jazz; zum anderen kam sie aber, wofür heutzutage Peter Sloterdijk steht, auch von der Philosophie her. Jeder Kulturkritiker kann auch über das Dschungelcamp schreiben, wenn er es kann.

Wann ist denn die Politik ins Feuilleton eingezogen?

Die Politik im Feuilleton war schon immer da. Kultur war immer schon Propaganda, für oder gegen etwas.



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