Wie die wilden Tiere by Djian Philippe

Wie die wilden Tiere by Djian Philippe

Autor:Djian, Philippe [Djian, Philippe]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257603392
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2014-12-27T16:00:00+00:00


Als Roger hereinkam, hatte ich meine Hose schon wieder hochgezogen, meine Partnerin gönnte sich aber noch einen kleinen Aufschub. Sie kniete vor einem der beiden Betten der Zwillinge, immer noch in der Position, in der ich sie vor kaum einer Minute genommen hatte, den Oberkörper nach vorne gebeugt, den Rock auf den Hüften zusammengerafft, mit ihrem nackten, einladenden, feucht glänzenden Hintern, und rang nach Luft.

Bei diesem überraschenden Anblick blieb er mit dem Türknauf in der Hand stehen, bis ich mich vor ihn stellte und ihm die Sicht versperrte.

»Was geht hier ab, Marc?!«, bellte er mit verzerrtem Gesicht.

»Alles in Ordnung«, sagte ich und drängte ihn aus dem Zimmer. »Was gibt’s?«

»Du treibst es hier in meiner Wohnung? Im Zimmer meiner Kinder?«

»Deine Kinder sind nicht da, Roger.«

»Das ist das Kinderzimmer, verdammte Scheiße!«

Kinder kriegen machte wunderlich. Keine Kinder kriegen machte auch wunderlich.

[121] Ich warf einen Blick über seine Schulter und bemerkte den schwachen Schein der Morgendämmerung.

»Es ist spät«, sagte ich.

»Aus welchem Loch bist du eigentlich gekrochen?«, krakeelte er. »Aus was für einem barbarischen Bau? Du elender Wilder! Willst du dich aufführen wie der letzte Höhlenbewohner? Wer gibt dir das Recht, dich im Bett meiner Tochter zu suhlen, du kranke Sau?! Mach, dass du rauskommst. Scheiße, Marc, raus aus meiner Wohnung!«

Die Frau und ich trafen uns draußen wieder, und ich begleitete sie zu ihrem Wagen.

»Soll ich Sie nach Hause bringen?«, fragte sie.

Sie sah echt nicht schlecht aus. Jetzt, bei Tageslicht, war ich überrascht, dass mir eine Enttäuschung erspart blieb.

»Nein, nein, besten Dank«, sagte ich. »Danke, ich glaube, ich werde ein Stück laufen.«

Zum Abschied küssten wir uns herzlich auf die Wangen, glücklich darüber, dass wir uns getroffen hatten, dann ging ich ein paar Schritte rückwärts – eine ziemliche Leistung in meinem Zustand, dieser Zustand unendlicher Schwäche, den ich nur zu gut kannte, wenn ich über die Stränge geschlagen hatte –, machte eine Kehrtwendung und strebte in die andere Richtung davon.

[122] Ich stellte meinen Kragen auf, denn die Luft war kühl. Der Tag brach gerade erst an. Ich fragte mich, ob ich mich nicht ein bisschen überschätzt hatte, was die Menge meines Konsums diverser Substanzen im Laufe der Nacht anging und auch was meinen Glauben an die Fähigkeit betraf, zu Fuß nach Hause zu kommen – das schien inzwischen alles andere als sicher, und eine automatische Ansage teilte mir mit, dass in diesem Bezirk keine Taxis zur Verfügung standen. Ich war wacklig auf den Beinen, und die Straße schien bergauf zu gehen. Ich erkannte nichts wieder. Fast hätte ich einen Herzinfarkt bekommen, als ein Hund gegen den zwischen uns gezogenen Zaun sprang, ich machte einen solchen Satz, dass es mich auf den Asphalt legte, der an dieser Stelle schrecklich rauh war. Dabei gingen meine Jacke und die Haut meines Unterarms drauf. Wieder aufzustehen war nicht leicht. Der Hund sprang weiter gegen den Zaun und bellte wie eine Ausgeburt des Teufels. Ich bemerkte einen Mann, der mit den Händen in den Hosentaschen hinter dem Tier stand und das klägliche Spektakel belächelte, das ich abgab – zerzaust, verstört, blutig, wimmernd.



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