Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps by Gmeiner-Verlag

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps by Gmeiner-Verlag

Autor:Gmeiner-Verlag
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2014-01-10T05:00:00+00:00


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»Eine Zeit lang haben wir in Bischofsheim gewohnt«, erzählte Sidonie. Ihr langer, kräftiger Zeigefinger tippte auf ein Foto. »Ein nettes Städtchen. Aber ich hatte keine gute Zeit dort. Hier, sehen Sie, da stehen Lothar und ich vor dem Zentturm 67.«

»Und Ihr Kind?« Ich dachte daran, wie sie vorhin darüber geklagt hatte, sie hätte keine Kinder, auf die sie Druck ausüben könnte, damit sie Besuch bekam.

Sidonie legte die Hand auf das Foto. »Wie gesagt, ich hatte keine gute Zeit dort. Aber wir sind auch nicht lange geblieben. 1970 zogen wir nach Fladungen. Wussten Sie, dass Fladungen die nördlichste Stadt in Franken ist? Das Städtchen klemmte damals noch ganz knapp unter der Grenze zur DDR. Dort oben war nichts. Niemand verirrte sich dorthin. Obwohl die Landschaft berauschend ist.«

»Ich mag die Rhön sehr. Ich stamme zwar nicht von hier, aber …«

»Nein, Mädchen, nein. Die Rhön ist, wie sie ist. Sie ist herb und grausam. Wenn es im Sommer unten im Tal mal kurz regnet, stürmt es auf den Höhen, und der Hagel schlägt Ihnen ein Loch in den Kopf. Denken Sie nicht, die Rhön, das sind die verschnörkelten Bildstöcke, die hübsch umfriedeten Kirchen mit ihren herrschaftlichen Fassaden, die manchmal mehr an eine Burg als an eine Kirche erinnern. Nein, die Rhön, das sind die Höhen, über die der Wind rast, der Bäume entwurzelt und …« Sie brach ab.

Lange Zeit blieb sie still. Ich hatte das Gefühl, sie war auf dem Weg in eine Vergangenheit, zu der sie die Tür nicht mehr fand.

»Aber wissen Sie«, fuhr sie schließlich fort. »In Fladungen wurde mein Leben gerettet. Ich begann, im Museum mitzuarbeiten. Im Rhönmuseum 68. Dadurch bekam ich endlich eine Aufgabe.«

Ich wollte nicht mehr nach ihrem Kind fragen. Das konnte ich einfach nicht. Ich war hier, um über die Nazi-Zeit in der Rhön zu recherchieren. Aber das konnte ich mir anscheinend auch abschminken.

»Der Kaffee ist kalt«, beschwerte sich Sidonie. »Bedienung, ein Kännchen frischen, bitte!«



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