wenn es Zeit ist by Florian Tietgen

wenn es Zeit ist by Florian Tietgen

Autor:Florian Tietgen [Tietgen, Florian]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Qindie
veröffentlicht: 2013-08-02T22:00:00+00:00


Von Hartnäckigkeit (1976)

Er wartet vor der Haustür. Muskulös und blass. Unruhig tritt er von einem Bein auf das andere. Immer wieder hält er in alle Richtungen Ausschau. Auf der Fuhlsbütteler Straße wäre er mir sicher nicht aufgefallen, aber es ist eine kleine Nebenstraße, in der wir wohnen. Hier sind keine Geschäfte. Die Straße ist nur von denen belebt, die hier leben. Er fällt mir auf. Als er mich entdeckt, kommt er auf mich zu. Dieses Mal hat er keinen Fotografen dabei.

»Hallo Henrik.«

Misstrauisch gehe ich langsamer.

»Was wollen Sie schon wieder von mir?« Hatte ich ihm nicht schon gestern klar gemacht, kein Interesse an weiteren Berichten, Fotos und Spekulationen über mich zu haben?

»Ich möchte mit dir reden, ganz in Ruhe. Kein Notizblock, kein Fotograf. Kein Bericht in irgendeiner Zeitung, den du nicht willst.«

»Ich wüsste nicht, worüber wir reden sollten.« Die Hand, die er mir reicht, ergreife ich kurz, schaue ihn bei diesem Satz an und stelle erstaunt fest, wie hell sein Niesel ist. Blassbraun passt er sich fast der Haut an. Vielleicht habe ich die Farben deshalb bisher übersehen. Aber allgemein erscheint es mir in letzter Zeit, als trügen immer mehr Menschen diese Farben. Wann werde ich wohl bei Michi oder meiner Mama solche Farben entdecken?

Ich antworte nicht. Mal wieder steigt Wut in mir auf. Ich spanne die Muskeln an, aber balle nicht die Faust.

»Was wollen Sie von mir?«

»Ich will dir helfen.«

»Das sagten Sie gestern schon. Wenn Sie mich in Ruhe ließen, bräuchte ich gar keine Hilfe.«

An einigen Stellen ist sein blassbrauner Nieselregen mit lichtgelben Punkten durchsetzt. Wenn ich doch bloß wüsste, welche Bedeutung diese verfluchten Farben haben. Warum ist der eine blau, wie Jörg oder Jan, warum der nächste goldbraun oder grün? Und warum scheine nur ich diese Farben sehen zu können?

»Glaubst du das? Glaubst du, ich bin der einzige Journalist, der in deinem Leben spioniert? Glaubst du die Hoffnung all der unheilbar Kranken giert nicht nach solchen Geschichten, seien sie nun wahr oder nicht? Und glaubst du wirklich, es gäbe dann niemanden, der dich zum Betrüger machen will und ganz schnell auf deinen Vater stößt? Warum ist er im Gefängnis?«

Was hat das mit mir zu tun, was mit meiner angeblichen Fähigkeit, was mit den Farben? Jetzt krümme ich langsam die Finger. »Lesen Sie Ihre Zeitung! Da stand es drin. Ist schon etwas her.«



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