Weihnachten auf der Lindwurmfeste: oder: Warum ich Hamoulimepp hasse (German Edition) by Walter Moers

Weihnachten auf der Lindwurmfeste: oder: Warum ich Hamoulimepp hasse (German Edition) by Walter Moers

Autor:Walter Moers [Moers, Walter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Penguin Verlag
veröffentlicht: 2018-11-22T23:00:00+00:00


Der Alchemist ließ dafür zunächst den Hofkapellmeister eine, wie er sie nannte, Morpheusische Schlummeroper komponieren. Für diese durften ausschließlich simpelste Harmonien benutzt werden, welche bereits in populären Schlafliedern Verwendung gefunden hatten. Sie wurden vom königlichen Hofchor und dem Hoforchester intoniert. Dabei kamen ein Dutzend Harfen und hundert Zupfgeigen zum Einsatz.

Die Liedtexte, welche die sieben königlichen Hofdichter dafür verfassen mussten, waren von ausgesucht nervenschonendem, harmlosem und einschläferndem Inhalt. Diese Opernmusik wurde vom obersten Hofalchemisten persönlich auf einem eigens für diesen Anlass ersonnenen und gebauten Tasteninstrument begleitet, das er, nicht besonders einfallsreich, Traumonium getauft hatte. Es handelte sich dabei aber nicht um ein Musikinstrument. Das Traumonium konnte alchemistische Duftakkorde aus beruhigenden Aromen wie Baldrian, Lavendel, Anis, Geranie, Melisse, Bergamotte, Sandelholz oder Jasmin erzeugen, und zwar vermittels ätherischer Dämpfe, die über eine Art Orgelpfeifen abgesondert wurden.

Zu dieser Musik- und Duftberieselung führten vom obersten Hofalchemisten dressierte Riesenschildkröten ein quälend langweiliges, doch hypnotisches Ballett auf: Die Kröten, deren Panzer mit Blattgold und Bernstein üppig verziert und mit brennenden Kerzen bestückt waren, krochen aufreizend langsam im Kreis herum und verteilten so ein leicht bewegtes, goldorangenes Licht über den Raum. Und tatsächlich befand sich bald die gesamte Schlossbevölkerung in friedlichem Schlummer.

Mit Ausnahme der Prinzessin natürlich. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals so aufgekratzt und unternehmungslustig, so wach und lebendig gewesen zu sein wie nach dieser Inszenierung. Die kostete den obersten Hofalchemisten letztendlich nicht nur seinen Job und seine Alchemistenlizenz, sondern brachte ihm auch eine Steuernachzahlung in dreifacher Höhe seines Privatvermögens ein.

Da sah auch der Letzte ein, dass weder Chemie noch Alchemie, weder Musik noch Duftkerzen, weder Nachtfellbärensuppe noch Schlafopern etwas gegen Dylias Ruhelosigkeit ausrichten konnten.

Und so fügten sie sich alle in ihr Schicksal – am widerspruchlosesten die schlaflose Prinzessin selbst. Sie fand, man könne es ja durchaus auch mal positiv betrachten. Die Schlaflosigkeit brachte ein paar unbestreitbare Vorteile mit sich, das konnte Dylia am besten beurteilen. Zum Beispiel eine geschärfte Wahrnehmung mit allen Sinnen: Nach nur drei Tagen Schlafentzug hörte Prinzessin Dylia bereits das Gras wachsen. Nach vier Tagen konnte sie Musik riechen. Nach sechs Tagen konnte sie die Gefühle eines Pfirsichs ertasten, wenn sie über seine samtige Schale strich. Nach neun Tagen konnte sie Farben schmecken. Und nach elf Tagen schärfte sich ihr Sehvermögen auf so dramatische Weise, dass sie ihre eigenen Hände röntgen konnte. So wäre ihr ohne Schlafentzug auch niemals die Existenz von Zwielichtzwergen aufgefallen!



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