Webb, Catherine by Lucifer-Chronik 01 - Lucifer

Webb, Catherine by Lucifer-Chronik 01 - Lucifer

Autor:Lucifer-Chronik 01 - Lucifer [Lucifer, Lucifer-Chronik 01 -]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-09-27T14:40:09+00:00


Es muss irgendwo eine Religion geben, die mich als den Mann ohne Gesicht bezeichnet. Wenn sie wüssten, wie schwer es ist, gesichtslos zu sein.

Seine Anstrengung, die Illusion aufrechtzuerhalten, machte Sam bereits zu schaffen. An andere Dinge zu denken war so schwer, dass er fast nach seinem Pass gegriffen hätte, als der ältliche Schalterbeamte ihn fragte, wohin er fahren wolle.

»Geht es Ihnen gut?«

Selbst sein Russisch drohte unter der Belastung zusammenzubrechen. Er kaufte eine Fahrkarte nach Minsk; er wusste selbst nicht warum, nur, dass er so weit weg wollte wie möglich. Peter hatte seine Tasche mit den Pässen darin - was wahrscheinlich bedeutete, dass er ein Tor benutzen musste.

Aber mit Andrew dürfte es schwieriger werden. Sie werden Probleme haben, ihn aus dem Land zu schaffen. Er ist ein Sterblicher, er kann nicht einmal durch die Anderswelt gehen. Und sein Pass ist nutzlos. Alles hängt jetzt vom Mondgespinst ab.

Sam versuchte sich auszumalen, was jetzt dort vorging, wenn das Mondgespinst-Netzwerk seine Möglichkeiten ausspielte. Nachdem der Wagen mit Andrew ein paar Stunden lang ziellos durch die Stadt geirrt war, würde er in eine Tankstelle fahren, wo ein anderes Fahrzeug wartete, auch mit drei Leuten. Zwei würden aus jedem Wagen aussteigen und zur Toilette gehen, sich etwas zu essen kaufen oder dergleichen. Bei der Rückkehr würde jedes Paar ohne Aufsehen in den >falschen< Wagen einsteigen und wegfahren. Diesen Trick würde man mehrmals wiederholen, vielleicht sogar mit Autos derselben Marke und

mit demselben Kennzeichen, um mögliche Verfolger zu verwirren.

Doch auch wenn das Mondgespinst-Netzwerk schnell handelte, war dies immer noch Feindesland. Wenn Stunde um Stunde mehr Andere hereinströmten, um die Straßen und Flughäfen zu beobachten, würden sie auch die Bahnhöfe überwachen? Oder waren sie auf seinen Bluff hereingefallen und hatten sich an die Flugbuchung auf Luc Satise und den zweiten, unidentifizierten Passagier gehängt?

Am besten ist es, immer das Schlimmste anzunehmen. Dann kann man angenehm überrascht werden, wenn es anders kommt. Mittlerweile bereitete ihm seine Tarnung solche Mühe, dass er sich Sorgen machte, ob er die Illusion auf Dauer würde beibehalten können.

Er entschied sich für einen Kompromiss. An einem Stand auf dem Bahnsteig kaufte er eine Tageszeitung. Doch erst als er im Zug war und dieser aus der Station ratterte und seine Sinne auf kein Anzeichen von Gefahr aufmerksam geworden waren, hob er die Zeitung, um sein Gesicht zu verbergen, während er die Illusion verblassen ließ. Ein Mitreisender bedachte ihn mit einem scharfen, fragenden Blick, doch kam zu dem Schluss, dass der glatt rasierte, dunkelhaarige Mann im Abteil die ganze Zeit dort gesessen hatte und dass er sich an das Gesicht eines bärtigen Herrn von einer, anderen Reise an einen anderen Ort erinnerte.

Es tat gut, sein eigenes Gesicht wiederzuhaben. Die vernarbte russische Landschaft raste vorbei und ließ Devon trotz Sams Abscheu vor der Verschandelung der englischen Natur heimelig und gepflegt erscheinen. Russland, auch wenn Teile davon große Schönheit besaßen, war so endlos, dass die Menschen keine Hemmungen hatten, riesige Teile davon zu verunstalten. Und zu dieser Jahreszeit, wenn das Eis schmolz und der Schnee von einem langen Winter braun und klumpig in

hässlichen Haufen herumlag, wirkte das Land öde und trostlos.



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