Was vom Tage übrigblieb by Ishiguro Kazuo

Was vom Tage übrigblieb by Ishiguro Kazuo

Autor:Ishiguro, Kazuo [Ishiguro, Kazuo]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-26T16:00:00+00:00


Dritter Tag - Morgen

Taunton, Somerset

Ich bin gestern abend in einem Gasthof namens The Coach and Horses etwas außerhalb von Taunton in der Grafschaft Somerset abgestiegen. Das Strohdachhaus gleich neben der Straße war mir vom Ford aus recht reizvoll erschienen, als ich mich im schwindenden Tageslicht näherte. Der Wirt führte mich über eine Holztreppe hinauf in ein fast schmuckloses, aber ordentliches kleines Zimmer. Als er sich erkundigte, ob ich schon zu Abend gegessen habe, bat ich ihn, mir ein Sandwich zu bringen, das sich als völlig befriedigende Lösung erwies, was die Mahlzeit anging. Doch als der Abend fortschritt, wurde ich auf meinem Zimmer unruhig und ging schließlich in die Schankstube hinunter, um von dem Apfelwein zu probieren, den man in dieser Gegend keltert.

Unten waren fünf oder sechs Gäste um die Theke versammelt — ihrem Äußeren nach zu urteilen Leute, die mit der Landwirtschaft zu tun hatten — , ansonsten aber war der Raum leer. Ich ließ mir vom Wirt einen Krug Apfelwein geben, setzte mich ein Stück entfernt an einen Fisch und versuchte, mich ein wenig zu entspannen und die den vergangenen Tag betreffenden Gedanken zu sammeln. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß meine Gegenwart diese Leute beunruhigte. Sie schienen das Bedürfnis zu verspüren, so etwas wie Gastfreundschaft zu zeigen, und jedesmal, wenn in ihrer Unterhaltung eine Pause eintrat, warf der eine oder andere verstohlen einen Blick in meine Richtung, als wolle er ausprobieren, ob er den Mut fände, mich anzusprechen. Schließlich sagte einer mit etwas lauterer Stimme zu mir:

«Es scheint, Sie haben sich auf eine Nacht hier im Haus eingelassen, Sir.»

Als ich sagte, daß dem so sei, schüttelte der Mann skeptisch den Kopf und meinte: «Sie werden nicht viel Schlaf kriegen da oben, Sir. Es sei denn, Sie lieben solchen Krach, wie ihn der alte Bob veranstaltet» — er deutete auf den Wirt — , «wenn er hier unten bis tief in die Nacht herumpoltert. Und dann werden Sie bestimmt von seiner Alten geweckt, die ihn schon am frühen Morgen anschreit.»

Obwohl der Wirt protestierte, löste dies allgemeines Gelächter aus.

«Ach ja, wirklich?» sagte ich. Und noch bei diesen Worten kam mir der Gedanke — wie dies in der letzten Zeit auch in Mr. Farradays Gegenwart öfter der Fall war — , daß man von mir irgendeine geistreiche Erwiderung erwarten könnte. Die Einheimischen an der Theke bewahrten jetzt in der Tat höfliches Schweigen und schienen auf meine nächste Bemerkung zu warten. Einen Moment dachte ich angestrengt nach und sagte:

«Gewiß eine regionale Variante des Hahnenschreis.»

Zuerst schwiegen die Männer weiter, als dächten sie, ich wollte dem noch eine Ausschmückung folgen lassen. Aber als sie den lustigen Ausdruck auf meinem Gesicht bemerkten, brachen sie in ein Lachen aus, das freilich etwas Verwirrtes hatte. Sie nahmen dann ihr Gespräch wieder auf, und ich wechselte weiter kein Wort mehr mit ihnen bis zum «Gute Nacht» eine Weile später.

Ich war im ersten Augenblick mit meiner scherzhaften Bemerkung recht zufrieden gewesen, und ich gestehe, ich war ein wenig enttäuscht darüber, daß sie nicht besser aufgenommen wurde. Ich war



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