Videotherapie und Videosupervision by Susanna Hartmann-Strauss

Videotherapie und Videosupervision by Susanna Hartmann-Strauss

Autor:Susanna Hartmann-Strauss
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783662620915
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg


Ebenfalls vorteilhaft sind Videositzungen, wenn Helfer aus verschiedenen Einrichtungen (z. B. zu Fallkonferenzen) zusammentreffen. Die Terminkoordination ist meist schwierig und auch bei eiligeren Fragestellungen lassen sich kaum zeitnahe Termine finden. Videositzungen ermöglichen Treffen, bei denen alle Helfer und auch die Klienten vor Ort bleiben können. Es ist verwunderlich, dass dieses Mittel bei den sozialen Diensten nicht bereits häufiger angewendet wird.

6.1.2 Psychologische Vorteile

Psychologische Vorteile der Videobehandlung ergeben sich durch den Schutz der Intimsphäre der Klienten. Gesprächspartner, die sich z. B. wegen physischer Einschränkungen oder körperlicher Auffälligkeiten schämen, erhalten eine Behandlung, die ihnen mehr Schutz und Privatsphäre gewährt. Kann störungsbedingt das Haus nicht verlassen werden (bspw. bei einer Agoraphobie oder Zwangsstörung), bietet auch hier das Videosetting eine Kontakt- und Therapiemöglichkeit. Ähnliches gilt bei angst- oder schambesetzten Problemen wie Adipositas, Selbstverletzung, Trichotillomanie. Die Videotherapie ermöglicht einen niedrigschwelligeren Behandlungszugang, da Symptome leichter kaschiert und ausgeblendet werden können. So erhalten auch Patienten ein Versorgungsangebot, die sonst nie den Gang zum Psychotherapeuten gewagt hätten. Patienten, die an als stigmatisierend wahrgenommenen Symptomen leiden, erleben es zudem oft als entlastend, nicht von Angesicht zu Angesicht betrachtet zu werden und berichten von einer erleichterten Selbstöffnung. Die Entstigmatisierung betrifft hierbei ebenfalls die Möglichkeit, psychotherapeutische Hilfe zu erhalten, ohne eine (z. B. als beschämend empfundene) Einrichtung aufsuchen zu müssen (Shore 2013).

Die Distanz, die durch das Medium und die geografische Entfernung gegeben ist, wirkt in Richtung einer erhöhten Öffnungsbereitschaft (Suler 2004). Der Disinhibitionseffekt (ebd.) erklärt einen Vorteil der schriftlichen und oft anonymen Form der Onlineberatung: Der im Vordergrund stehende Textaustausch lässt die Person in den Hintergrund treten und vereinfacht die Ansprache intimer, etwa schambezogener, Themen. Der distanziertere Kontakt in der Videobeziehung kann ebenfalls dazu führen, dass die Ansprache schwieriger Themen erleichtert bzw. „disinhibiert“ wird (Wenzel et al. 2020).

Die Beziehung in der Videositzung ist ausgeglichener als in der Face-to-Face-Behandlung. Keiner hat einen Raumvorteil, alle nutzen die gleiche Technik und sind dieser, etwa bei Störungen, gleichermaßen ausgeliefert. Das Treffen findet auf neutralem digitalen Boden statt. Die Selbstwirksamkeit des Patienten oder, allgemeiner, seine Selbstmanagementfähigkeit (vgl. Kanfer et al. 2006) wird zudem durch die höhere Eigenbeteiligung im Videosetting gestärkt: Er stellt Raum und Technik bereit und ist durch den Down- und Upload von Informationen und Arbeitsmaterial sowie die gemeinsame Arbeit am geteilten Bildschirm intensiver in die Therapie eingebunden als im Vor-Ort-Kontakt. Insgesamt trägt er eine höhere Verantwortung für das Gelingen der Sitzung als im Face-to-Face-Setting. Begünstigend auf die Mitarbeit wirkt sich ebenfalls aus, dass es nicht mit einem hohen Aufwand verbunden ist, sich an Interventionen wie z. B. grafischen Darstellungen zu beteiligen. Während in der Praxis eine Beteiligung voraussetzt, aufzustehen, und das fremde Flipchart oder Whiteboard zu beschreiben, „gehören“ diese Tools in der Videositzung allen Beteiligten. Der Klient ist genauso nah dran wie die Therapeutin und kann ohne Vorbereitung Veränderungen vornehmen oder Ergänzungen hinzufügen.

Patienten schildern nicht selten, dass sie sich in einer Videotherapie als selbstständiger oder „gesünder“ empfinden, als wenn sie eine Praxis oder Klinik aufsuchen müssen. Dieser Umstand mag auch damit zusammenhängen, dass in der eigenen Umgebung eher die Rollen und Selbstbeschreibungen beibehalten werden, die (auch) mit dem Ort verknüpft sind, z.



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