Verfolgung und Ermordung der Juden 1933−1945 by Andrea Rudorff

Verfolgung und Ermordung der Juden 1933−1945 by Andrea Rudorff

Autor:Andrea Rudorff
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2018-06-15T00:00:00+00:00


DOK. 168

Margit Adler beschreibt die Räumung des Außenlagers Goldfields

nach Bromberg im September 1944 und ihre Flucht2112

Bericht von Margit Adler,2113 im Büro des Joint, Calea Moşilor 128 in Bukarest,2114 vom 25.3.1945

[…]2115

Im September 1944, als die Deutschen bereits wussten, dass die Russen anrücken würden, überstellte man uns ins Konzentrationslager Stutthof. Dort waren insgesamt 20 000 Menschen untergebracht. Man brachte uns wie die Insassen aus den benachbarten Lagern Kluga,2116 Warnowo usw. mit dem Schiff nach Danzig. Die Fahrt dauerte sechs Tage. Bei der Abfahrt versorgte man uns mit ein, zwei Kilo Brot, einem kleinen Stück Käse und Salami, aber während der Fahrt gab man uns nichts mehr. Das Schiff wurde von estnischen Posten begleitet, es passierte aber nichts Wesentliches, da wir alle auf engstem Raum zusammengepfercht waren.

Als wir Stutthof endlich erreichten, trafen wir dort auf sehr viele Häftlinge aus Auschwitz. Hier hatten wir es sehr schwer, weil wir nicht arbeiten durften und geschlagen wurden. Auch die Versorgung war miserabel, zum Frühstück gab es schwarzen Kaffee, abends einen halben Liter dicke Suppe. In der Frühe und mehrmals am Tag fanden Appelle statt; stundenlang mussten wir stehen. SS-Soldaten und Frauen aus der Ukraine bewachten uns. Ohne jeden Grund prügelten sie auf uns ein. Zwei Wochen war ich dort. Danach schickte man mich zum Arbeitseinsatz bei der Reichsbahn nach Bromberg bei Danzig.2117 Wir legten Schienen und Bahnschwellen, es wurde eine neue Bahnstation gebaut.Wir erhielten 400 Gramm Brot (die Schwerarbeiterration), dicke Suppe und zweimal pro Woche Marmelade oder Käse als Zulage. Wir arbeiteten von halb 5 in der Früh bis halb 5 am Nachmittag. Unser Vorarbeiter, ein sogenannter Rottenführer, war ein Pole. Er hieß Jan Reblecki. Alle übrigen Aufseher waren schlechte Menschen, unter ihnen auch der Oberaufseher, ein deutscher Offizier namens Starnwitz, der zwei Mädchen totgeschlagen hatte.2118

Wir wurden dann befreit und sollten am 12. Januar 1945 eigentlich nach Berlin transportiert werden.2119 Man schickte uns zu Fuß los, doch nach zwei Tagen konnten wir nicht mehr. Wer noch laufen konnte, ging weiter, wir jedoch, eine Gruppe von zwölf Leuten, blieben in einem Gutshof 100 Kilometer hinter Bromberg zurück. Zu dieser Zeit waren die SS-Aufseherinnen bereits nicht mehr bei uns, wir waren ohne Bewachung. Wir gingen zu einem polnischen Haus, aber die Polen hatten Angst, uns einzulassen, weil immer noch Deutsche in der Gegend waren. Immerhin versorgte uns die Frau mit Brot und schickte uns auf den Dachboden, damit wir uns dort versteckten, bis die Russen kämen. Die Deutschen zogen noch in derselben Nacht weiter, steckten zuvor jedoch die Scheune in Brand. Dabei verschwand ein Mädchen, wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist, vielleicht ist es mitverbrannt. Ihr Name war Janka Stern. Wir rannten fort und erreichten nach 25 Kilometern einen deutschen Gutshof, der bereits verlassen war. Dort gab es Kühe, Schweine und jede Menge köstlicher Dinge. Wir verbrachten dort einige Zeit, bis drei deutsche Soldaten auftauchten, die uns sofort erschießen wollten. Wir weinten und erklärten, wir seien nur deshalb hier, weil wir aufgrund unserer blutenden und geschwollenen Füße von unserer Gruppe zurückbleiben mussten. Sie fragten, ob wir etwa auf die Russen warteten.



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