Untreue by Paulo Coelho

Untreue by Paulo Coelho

Autor:Paulo Coelho [Coelho, Paulo]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257604313
Herausgeber: Sant Jordi ASociados
veröffentlicht: 2014-09-23T22:00:00+00:00


Eine Woche später tue ich etwas, was ich mir immer geschworen hatte, zu unterlassen: mir einen Psychiater suchen.

Es ist mir gelungen, drei Termine bei drei verschiedenen Ärzten zu bekommen. Ihre Terminkalender waren voll – wohl ein Zeichen dafür, dass es in Genf mehr aus dem Lot geratene Menschen gibt, als wir uns vorstellen. Ich sagte immer gleich, dass es dringend sei, worauf die Praxisassistentinnen mich schon abwimmeln wollten mit der Begründung, das würden alle sagen, doch es täte ihnen leid, sie könnten nicht einfach andere Patienten zurückstellen.

Worauf ich die Trumpfkarte ausspielte, die fast immer wirkt: Ich sagte, wo ich arbeite. Das magische Wort »Journalistin«, gefolgt vom Namen einer wichtigen Zeitung, kann Türen ebenso öffnen wie schließen. Ich bekam die Termine.

Ich sagte niemandem ein Sterbenswort – weder meinem Mann noch meinem Chef. Ich suchte den ersten der drei Psychiater auf – einen etwas merkwürdigen Mann mit britischem Akzent, der mir gleich zur Begrüßung sagte, dass er keine Kassenpatienten annehme. Ich hatte den Verdacht, dass er illegal in der Schweiz arbeitete. Ich erklärte ihm in aller Ruhe, was mit mir los war, führte zur Illustration das Beispiel von Frankenstein und seinem Ungeheuer und von Dr. Jekyll und Mr. Hyde an. Ich flehte ihn an, mir zu helfen, das Ungeheuer in den Griff zu bekommen, das sich zeigte und drohte, mich zu überwältigen. Er fragte, was ich damit sagen wolle. Die wahren Hintergründe, die mich kompromittieren könnten, wie zum Beispiel meinen Versuch, eine bestimmte Frau ungerechtfertigt wegen Drogenhandels verhaften zu lassen, konnte ich ihm natürlich nicht nennen.

Also beschloss ich, ihm eine Lüge aufzutischen: Ich erklärte ihm, dass ich Mordgedanken hegte, daran dächte, meinen Mann zu töten, während er schlief. Der Psychiater fragte, ob einer von uns beiden eine Geliebte bzw. einen Geliebten habe, was ich verneinte. Er zeigte großes Verständnis und fand es normal. Ein Jahr Behandlung mit drei wöchentlichen Sitzungen würde diesen Tötungsdrang um 55 Prozent vermindern. Ich war schockiert! Und wenn ich nun meinen Mann vorher umbrachte? Er antwortete darauf, dass das, was gerade passiere, eine »Übertragung«, eine »Phantasie« sei und dass wahre Mörder niemals Hilfe suchten.

Am Ende der Konsultation knöpfte er mir 250 Schweizer Franken ab und bat die Praxisassistentin, regelmäßige Termine ab der nächsten Woche zu vereinbaren. Ich bedankte mich, sagte, ich müsse meinen Terminkalender konsultieren, und schloss die Tür, um niemals zurückzukehren.

Der zweite Psychiater war eine Frau. Sie nahm Kassenpatienten und war dem gegenüber, was ich zu sagen hatte, offener eingestellt und hörte genau zu. Ich wiederholte die Geschichte vom Wunsch, meinen Ehemann umzubringen.

»Nun, manchmal denke ich daran, meinen auch umzubringen«, sagte sie zu mir mit einem Lächeln. »Aber wir wissen beide, dass, wenn alle Frauen ihre heimlichen Wünsche verwirklichen würden, fast sämtliche Kinder vaterlos wären. Das ist ein ganz normaler Impuls.«

Normal?

Nachdem wir uns eine Weile unterhalten hatten, während der sie mir erklärte, dass ich von der »Ehe eingeschüchtert« sei, zweifellos »keinen Raum zum Wachsen« hätte und mein Sexualtrieb »in der medizinischen Literatur hinlänglich bekannte hormonelle Störungen« hervorriefe, griff sie zum Rezeptblock und verschrieb mir ein bekanntes Antidepressivum.



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