Unter Menschen: Roman (German Edition) by Bettina Balàka

Unter Menschen: Roman (German Edition) by Bettina Balàka

Autor:Bettina Balàka [Balàka, Bettina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2015-01-24T00:00:00+00:00


10.

Der Geruch, von dem Berti aufwachte, war neu. Er hatte ihn noch nie zuvor in seinem Leben gerochen. Ein unangenehmer Film mit einer hohen, beißenden Fruchtnote setzte sich am Gaumen fest, fast, als würde es sich um einen Geschmack handeln, nicht um einen Geruch. Und die Quelle dieser unheimlichen Ausströmung war Marcel.

Berti sprang auf, setzte sich vor ihn hin und starrte ihn an. Wie üblich lag Marcel auf seiner Seite der Wohnlandschaft, jene, die im rechten Winkel zum Fernseher stand. Der Oberkörper war halb auf Kissen aufgerichtet, die Augen waren geschlossen, die Arme hingen ebenso schlaff herab wie die Mundwinkel. Immer wieder stotterte sein Atem, als würde der Luftstrom auf vielerlei Hindernisse stoßen, dann schmatzte er, schluckte oder verlegte sich auf einen Schnarchton. Nichts daran war außergewöhnlich, nur der Geruch. Er hatte etwas Alarmierendes, es war kein Geruch, wie er von Menschen normalerweise ausging. Und er wurde stärker. Was stimmte nicht mit Marcel?

Berti schnüffelte Hände, Arme, Hals und Gesicht ab – der Geruch kam direkt aus der Haut. Er stupste ihn mit der Nase an. Er schleckte Schweiß von seinen Fingern. Er kratzte an seinem T-Shirt. Er roch an seinem Mund und schleckte ihm Lippen und Mundwinkel ab. Marcel wachte kurz auf und lallte: „Sorro, verpiss dich.“ Seine Stimme klang seltsam, und er machte seltsame Gesten. Nun begann Berti zu bellen, aber Marcel wachte nicht mehr auf.

Eine Ewigkeit verging, ohne dass sich etwas veränderte. Berti bellte, Marcel schlief und strömte seinen unangenehmen Fruchtgeruch aus. Dann kam plötzlich ein neuer Geruch aus der Küche, der Tomatenduft der auf kleiner Flamme angewärmten Dosenravioli war gekippt. Berti lief in die Küche. Die Ravioli verbrannten am Herd. Er rannte wieder zu Marcel, um ihn zu kratzen und anzustupsen, aber er wachte noch immer nicht auf. Aus seinem Mund kam nun ein neuer, süßlicher Geruch, wie nach den faulenden Äpfeln im Garten der Michaleks. Marcel schien sich zu zersetzen. Berti bellte und bellte, er wusste nun, dass es darum ging, Hilfe zu rufen. Aber niemand kam.



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