Unheil by Wolfgang Hohlbein

Unheil by Wolfgang Hohlbein

Autor:Wolfgang Hohlbein
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783492956895
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-09-03T12:51:29+00:00


Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem großen Bahnhof, den ihre Kollegen ihr bereiteten. Auf ihrem Schreibtisch, den sie schon seit einer guten Woche nicht mehr gesehen hatte, standen gleich drei Blumensträuße – allesamt frisch und vermutlich erst besorgt, als Trausch und sie bereits auf dem Weg hierher gewesen waren –, und hätte sie jedes Glas Sekt angenommen, das ihr angeboten wurde, dann hätte Eichholz sie bei seinem Eintreffen gute anderthalb Stunden später wahrscheinlich sturzbetrunken in irgendeiner Ecke vorgefunden. Niemand war unsensibel genug, einen detaillierten Bericht zu erwarten oder auch nur nach Einzelheiten zu fragen, aber Trausch und sie waren dennoch beinahe eine halbe Stunde lang damit beschäftigt, unzählige Fragen zu beantworten und immer neue Glückwünsche entgegenzunehmen und das obligatorische Umarmen und Schulterklopfen über sich ergehen zu lassen; was vor allem bei Trausch nicht unbedingt auf helle Begeisterung stieß, sondern ihm ganz im Gegenteil mehr als einmal beinahe die Tränen in die Augen trieb. Schließlich wurde es ihm zu bunt, und er zog kommentarlos die Schlinge aus der Jackentasche, die ihm der Arzt im Krankenwagen mehr oder weniger aufgenötigt hatte, hängte sie um und legte demonstrativ den Arm hinein. Denselben, von dem er vorhin beharrlich behauptet hatte, er hätte nur eine harmlose Schramme. Immerhin hörten die anderen damit auf, begeistert auf seine Schulter einzuschlagen.

Was Conny vielleicht am meisten überraschte, das war die Ehrlichkeit dieses Empfangs. Es war Eichholz in der ganzen Zeit nicht wirklich gelungen, sie auszugrenzen, sosehr er sich auch angestrengt hatte, hatte sie es auch umgekehrt niemals geschafft, sich vollkommen dazugehörig zu fühlen. Tatsächlich hatte sie nie einer ihrer Kollegen geschnitten, ihr Schwierigkeiten bereitet oder ihr Steine in den Weg gelegt, und dennoch hatte es da eine letzte, unsichtbare Hürde gegeben, die sie niemals endgültig überwunden hatte; immerhin stand sie ganz oben auf Eichholz’ Abschussliste, und vielleicht war es einfach besser, nicht allzu offen mit ihr zu fraternisieren.

Das hatte sich geändert. Vielleicht zum ersten Mal, seit die SOKO gegründet worden war, hatte sie das Gefühl, tatsächlich dazuzugehören.

Das Problem war nur, dass sie es tief in sich gar nicht wollte.

Conny erschrak beinahe, als sie sich ihrer eigenen Gefühle bewusst wurde. Während der ganzen beinahe zwei Monate, die sie jetzt dazugehörte, hatte sie sich nichts mehr gewünscht, als von ihren Kollegen endlich vollkommen akzeptiert und als gleichberechtigtes Mitglied eines Teams behandelt zu werden, doch jetzt, als es so weit war, begann sie sich zu fragen, ob sie es eigentlich wirklich so hatte haben wollen oder dieser vermeintliche Wunsch nicht in Wahrheit reiner Trotz gewesen war, mit dem sie auf Eichholz’ unverhohlene Feindseligkeit reagierte. Einer der wenigen Punkte, die Eichholz ihr zu Recht vorgeworfen hatte, war ihr mangelnder Teamgeist. Sie war niemals eine gute Teamspielerin gewesen und hatte es auch niemals sein wollen, sondern zog es vor, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen und ihre eigenen Wege zu gehen; ein Charakterzug, der ihrer Karriere schon mehr als einmal im Wege gestanden und sie vielleicht nur deshalb noch nicht zu Fall gebracht hatte, weil sie trotz allem immer wieder überraschende Erfolge vorweisen konnte.



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