Tron 03 - Gondeln aus Glas by Remin Nicolas

Tron 03 - Gondeln aus Glas by Remin Nicolas

Autor:Remin, Nicolas [Remin, Nicolas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3499253011
Google: MOf4PQAACAAJ
Amazon: 3499253011
Goodreads: 1966902
Herausgeber: Kindler Verlag
veröffentlicht: 2013-08-22T04:00:00+00:00


Und natürlich lag dies auch daran, musste Tron sich eingestehen, dass er viel zu lange gezögert hatte, Konstancja Potocki reinen Wein einzuschenken – vermutlich aus Furcht, sie würde abspringen. Und dann hätte er keinen Grund mehr gehabt, sie weiterhin einmal in der Woche zu besuchen, was jedoch erforderlich war, um die Principessa auf Konstancja Potocki eifersüchtig zu machen.

Tron blieb stehen und schloss die Augen. Was die Principessa wohl tragen würde – nachher im Palazzo Balbi-Valier? Vielleicht das neue Hauskleid aus schwarzer Rohseide, das er für sie (auf ihre Kosten) aus der Revue de la Mode bestellt hatte? Diesen Traum von einem Kleid, das auch einen diskreten Einschlag ins Gewagte hatte? Tron seufzte. In spätestens zwei Stunden würde er es wissen. Falls Konstancja Potocki ihn nicht schon nach fünf Minuten an die Luft setzte, nachdem er ihr erklärt hatte, worum es ging. Keine schlechte Aussicht eigentlich, dachte Tron. Vielleicht sollte er gleich hart zur Sache kommen – es kurz und schmerzlos machen. Er atmete tief ein und hielt kurz die Luft an, um Entschlusskraft zu sammeln. Dann machte er einen energischen Ausfallschritt in Richtung Tür, klopfte und drückte, ohne auf eine Antwort zu warten, die Klinke runter.

Das Erste, was Tron wahrnahm, war der Geruch nach Salz und Tang, der durch die geöffneten Fenster in die sala des Palazzo Mocenigo drang. Er vermischte sich mit dem Rosenduft, der einem riesigen Strauß Madame Hardy entströmte, der auf einem kleinen Tischchen direkt vor den hohen Dreipassbögen stand. Die Dämmerung hatte sich bereits herabgesenkt, und auf der anderen Seite des Canalazzo sah Tron den Palazzo Balbi und die Mündung des Rio della Frescada. Die Dächer der kleinen Häuser an der Mündung des Rio, auf die man herabblickte, ließen etwas von der Stadt ahnen, die jetzt lautlos auf der scharfen Kante zwischen Tag und Nacht schwebte.

Es war ein Bild, wie es venezianischer nicht hätte sein können – so schön, dass Tron erst auf den zweiten Blick die Frau registrierte, die in seltsam verdrehter Position direkt vor dem Erard lag.

Tron setzte sich in Bewegung, und noch bevor er den leblosen Körper erreicht hatte, der zusammengekrümmt vor dem aufgeklappten Flügel lag, wusste er, dass Konstancja Potocki tot war und dass sie keines natürlichen Todes gestorben war. Ihre rechte Hand, deren Finger in diesem Leben keine Taste mehr berühren würden, war um einen Band Mozartsonaten geklammert – vielleicht hatte sie die Sonaten in einer letzten, verzweifelten Anstrengung als Schild benutzt, um sich gegen ihren Mörder zu wehren.

Ein paar einzelne Notenbögen waren von der Ablage des Erards herabgefallen und bedeckten ihren Körper wie riesige Blütenblätter. Ihr rotes Haar, das sie immer hochgesteckt trug, hatte sich geöffnet und lag wie eine Kaskade aus glänzendem Kupfer auf ihrem Rücken. Tron fand, dass Konstancja Potocki sonderbar jung aussah, so als wäre im Todeskampf die Uhr ihres Lebens in rasender Geschwindigkeit rückwärts gelaufen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und ihr geöffneter Mund – der Mund eines kleinen Mädchens – wirkte, als versuchte er, Schreie zu artikulieren, die viel zu groß waren, um sich durch ihre Stimmbänder zu quetschen.



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