Tod im Jungfernturm by Anna Jansson

Tod im Jungfernturm by Anna Jansson

Autor:Anna Jansson [Jansson, Anna]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-01-31T05:00:00+00:00


24

Der Tod mit der Sense über der Schulter starrte ihn aus seiner grauen Vitrine hohläugig an. Um den Saum seines Umhangs krauchten ausgestopfte Pestratten mit entblößten Zähnen. Hinter dem Tod konnte man eine Karte sehen, wie die Bevölkerung auf der Insel nach dem Vormarsch der Pest 1351 reduziert worden war. Arne Folhammar lehnte sich an den Türrahmen und legte seinen Kopf zurück. Gerade war eine kleinere Gruppe Rentner aus Deutschland vorbeigekommen und hatte die Folgeerscheinungen der Pest in Mitteleuropa diskutiert. In holprigem Deutsch hatte Arne auf die beiden äußeren Folgen hingewiesen, die in jener Zeit auftraten: einerseits Selbstgeißelungen, bei denen Menschen sich im Angesicht anderer selbst quälten, um der Gottesstrafe zu entgehen, und andererseits Menschen, die sich in sexuelle Orgien und wilde Tanzfeste stürzten. Die Deutschen hatten sich vor allem für die neun Verbrecher interessiert, die man gehängt hatte, weil sie die Ursache für die Pest gewesen sein sollten. Und Arne berichtete so gut er konnte vom Bürgermeisterrat in Visby, der 1350 nach Rostock geschrieben und berichtete hatte, daß man neun Verräter der Menschheit verbrannt habe. Einer von ihnen hatte zugegeben, in Stockholm, Västerås, Arboga und mehreren anderen Orten Brunnen vergiftet und ein Pulver hergestellt zu haben, mit dem er die Bevölkerung von ganz Gotland ausrotten würde. Was hieß bloß Pulver auf deutsch? Hoffentlich hatte er das richtig gesagt.

Eigentlich hätte er sich krankschreiben lassen sollen. Er hatte so lange auf Birgittas Fußboden gesessen, bis sich die graue Dämmerung durch das Fenster gearbeitet hatte. Dann war er in seine Wohnung hinaufgegangen, hatte geduscht und sich umgezogen, um dann durch das Regenwetter zum Museum zu gehen. Die Macht der Gewohnheit ist oft größer als die der Vernunft. Birgitta hatte sich auf der Toilette eingeschlossen und war dort eingeschlafen. Das Schweigen quälte ihn am meisten, das vorwurfsvolle Schweigen. Sie hatte nicht mit ihm reden wollen. Er hatte auch nichts gesagt. Es gab keine Worte. Die Brücke war gesprengt, es gab nicht einmal mehr einen Steg.

»Wo sind die Schätze?« Ein blonder Junge mit einem jüngeren Bruder im Schlepptau lächelte ihn zahnlos an. Arne zeigte müde auf einen Saal, der etwas weiter hinten vom Flur abging.

»Könnten Sie uns vielleicht etwas von den Funden erzählen? Die Jungen interessieren sich so sehr für das Mittelalter und die Silberschätze. Jetzt faßt ihr aber nichts an!« rief die Frau, die sicher die Großmutter der Jungen war. Ihr Mann kam in gehörigem Abstand von der Verantwortung und den Kindern angeschlendert.

»Ich will das Skelett sehen!« rief einer der Jungen.

»Kann man hier zum Ritter geschlagen werden?« fragte sein kleiner Bruder und zog Arne am Hosenbein. Nie und nimmer, hätte er gern gesagt, aber er schwieg natürlich. Das war nicht der richtige Zeitpunkt zu diskutieren, welche Aufgaben im Rahmen seiner Stellenbeschreibung lagen und welche nicht.

»Nein, aber wart ihr schon im Kapitelhausgarten? Da ist es wirklich nett. Viele Handwerksleute führen ihre Arbeiten vor. Man kann ausprobieren, wie man Knöpfe gießt, Wolle spinnt und Münzen prägt. Dann kann man von Botulf selbst zum Ritter geschlagen werden.« Arne versuchte begeistert zu klingen, doch die Stimme gehorchte ihm nicht, und am Ende klang es mehr wie eine Drohung.



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