Titan 16 by Unknown

Titan 16 by Unknown

Autor:Unknown
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne SF
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


DIE MONDMOTTE

(THE MOON MOTH)

JACK VANCE

Das Hausboot war nach den strengsten Vorschriften sirenesischer Handwerkskunst gebaut, also mit solch absoluter Perfektion, daß kein menschliches Auge auch nur die geringste Unregelmäßigkeit erkennen konnte. Die Planken aus gewachstem, dunklem Holz zeigten keine Fugen, die Beschläge waren aus Platin gefertigt, ins Holz versenkt und glatt poliert. Was den Stil anging, so war das Boot massiv, breit und beständig wie das Ufer selbst, ohne behäbig zu sein. Der Bug wölbte sich vor wie die Brust eines Schwans, der Schiffschnabel reckte sich steil in die Höhe und bog sich dann nach vorne, so daß man eine eiserne Laterne an ihm aufhängen konnte. Die Türen waren aus schwarz geflecktem, grünen Holz geschnitten, die Fenster vielfach aufgeteilt und mit Glimmerscheiben verglast, die rosa, blau, blaßgrün und violett eingefärbt waren. Der Bug diente den Versorgungseinrichtungen und bot den Sklaven Quartier; mittschiffs gab es zwei Schlafkabinen, einen Speisesalon und einen weiteren Salon, der in das Beobachtungsdeck am Heck überging.

Solcher Art war Edwer Thissells Hausboot, aber sein Besitz verschaffte ihm weder Stolz noch Vergnügen. Das Hausboot war schäbig geworden. Der Teppich war zerschlissen, die geschnitzten Wände abgewetzt, die eiserne Laterne am Bug verrostet. Vor sechzig Jahren hatte der erste Besitzer, als er das Boot in Empfang nahm, dem Erbauer Ehre erwiesen, und seinerseits Ehre empfangen; die Transaktion (denn dies war ein Vorgang, der viel weiter ging als bloßes Geben und Nehmen) hatte das Prestige beider gesteigert. Aber jene Zeit war dahin; das Hausboot vermittelte jetzt keinerlei Prestige mehr. Edwer Thissell, erst seit drei Monaten Bewohner von Sirene, spürte das, konnte aber nichts dagegen tun: dieses spezielle Hausboot war das beste, das er bekommen konnte. Er saß auf dem Hinterdeck und übte die Ganga, ein zitherähnliches Instrument, nicht viel größer als seine Hand. Hundert Meter entfernt war ein Streifen weißer Strand hinter der Brandung zu erkennen; dahinter erhob sich der Dschungel, eingebettet in die Silhouette gezackter, schwarzer Berge, die gegen den Himmel aufragten. Mireille schien dunstig und weiß vom Himmel, als hätte man ein Spinnennetz davorgezogen; das Antlitz des Ozeans hatte den Glanz von Perlmutt. Die Szene war ebenso vertraut, wenn auch nicht so langweilig wie die Ganga gewesen, mit der er sich jetzt seit zwei Stunden befaßte, indem er immer wieder die sirenesischen Tonleitern zupfte, Akkorde bildete und einfache Tonfolgen spielte. Jetzt legte er die Ganga hin und vertauschte sie mit dem Zachinko, dabei handelte es sich um ein kleines, mit Tasten versehenes Instrument, das man mit der rechten Hand spielte. Wenn man auf die Tasten drückte, wurde Luft durch Röhren gedrückt, die sich in den Tasten selbst befanden, was einen akkordeonähnlichen Klang erzeugte. Thissell spielte schnell hintereinander ein Dutzend Tonleitern und machte dabei nur wenige Fehler. Von den sechs Instrumenten, die zu lernen er sich vorgenommen hatte, hatte der Zachinko sich am wenigsten widerspenstig erwiesen (ausgenommen natürlich das Hymerkin, jenes klappernde, polternde Gerät aus Holz und Stein, das man ausschließlich für die Verständigung mit Sklaven benutzte).

Thissell übte noch zehn Minuten und legte dann den Zachinko beiseite. Er beugte die Arme, bewegte die schmerzenden Finger.



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