Titan 04 by Unknown

Titan 04 by Unknown

Autor:Unknown
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne SF
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Aus dem Amerikanischen übertragen von Horst Pukallus

Tyrell der Erlöser

(A CROSS OF CENTURIES)

HENRY KUTTNER

Sie nannten ihn den Gesalbten. Aber er war nicht jener Mann, der vor fünftausend Jahren den langen Leidensweg nach Golgatha beschriften hatte. Sie nannten ihn Buddha und Mohammed; sie nannten ihn das Lamm und den Gesegneten Gottes. Sie nannten ihn den Prinzen des Friedens und den Unsterblichen.

Sein Name lautete Tyrell.

Nun hatte er einen anderen Weg zurückgelegt, den steilen Pfad, der zum Bergkloster führte, und für einen Moment verharrte er und blinzelte in den hellen Sonnenschein. Seine weiße Robe war rituell schwarz befleckt. Das Mädchen an seiner Seite berührte seinen Arm und drängte ihn behutsam vorwärts. Er trat in den Schatten des Torwegs.

Dann zögerte er und blickte zurück. Der Pfad führte weiter hinauf zu einer ebenen Bergweide, worauf das Kloster stand, und die Weide war blendend grün vom jungen Frühling. Schwach, weit entfernt, empfand er eine schmerzliche Trauer angesichts der Vorstellung, all diesen Glanz aufzugeben, doch er spürte, daß die Dinge alsbald besser stehen würden. Und die Pracht war weit fort. Sie war nicht länger ganz wirklich. Wieder berührte das Mädchen seinen Arm, und er nickte folgsam und ging weiter, während er die besorgniserregende Empfindung eines bevorstehenden Verlusts verspürte, die sein müder Verstand gegenwärtig nicht begreifen konnte.

Ich bin sehr alt, dachte er.

Im Hof verneigten sich die Priester vor ihm. Mons, ihr Oberhaupt, stand auf der anderen Seite eines breiten Teichs, der das bodenlose Blau des Himmels widerspiegelte. Dann und wann kräuselte ein leiser, kühler Hauch das Wasser.

Alte Gewohnheiten sandten ihre Forderungen durch sein Nervensystem. Tyrell hob die Hände und segnete. Gemessen sprach seine Stimme die eingeprägten Wendungen. »Friede soll herrschen. Überall auf der gequälten Erde, auf allen Welten und in Gottes gepriesenem Himmel soll Friede herrschen. Die Mächte der… der…« – Seine Hand schwankte; dann erinnerte er sich. – »… der Finsternis sind machtlos gegen Gottes Liebe und Güte. Ich bringe euch Gottes Wort. Es heißt Liebe. Es heißt Güte. Es heißt Friede.«

Sie warteten, bis er schwieg. Es war das falsche Ritual zur falschen Zeit. Aber das spielte keine Rolle, denn er war der Messias. Jenseits des Teichs vollführte Mons einen Wink. Das Mädchen an Tyrells Seite legte seine Hände sanft auf die Schultern seiner Robe. »Unsterblicher«, rief Mons, »wirst du dein beflecktes Gewand ablegen und mit ihm die Sünden der Zeit?« Verständnislos blickte Tyrell über den Teich. »Wirst du die Welten mit einem weiteren Jahrhundert deiner heiligen Gegenwart beglücken?«

Tyrell entsann sich einiger Sätze. »Ich gehe in Frieden«, sagte er. »Ich kehre zurück in Frieden.« Sachte streifte das Mädchen ihm die weiße Robe ab, kniete nieder und löste die Sandalen von seinen Füßen. Nackt stand er am Rand des Teichs. Er sah aus wie ein Zwanzigjähriger. Er war zweitausend Jahre alt. Eine tiefe Unruhe regte sich in seinem Innern. Mons hielt seine Arme erhoben wie zu einer Einladung; verwirrt schaute Tyrell sich um und begegnete dem Blick der grauen Mädchenaugen. »Nerina?« murmelte er.

»In den Teich«, flüsterte sie. »Schwimm hindurch.«

Er streckte eine Hand aus und berührte ihre. Sie spürte jenen wundervollen Strom von Sanftheit, der von seiner unbezähmbaren Kraft herrührte.



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