Taxi by Karen Duve

Taxi by Karen Duve

Autor:Karen Duve
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Eichborn AG
veröffentlicht: 2009-04-14T16:00:00+00:00


6

Der Zwonullsechs war noch nicht mal ein Mercedes, sondern ein VW Jetta. Immerhin war die Puffreklame wieder von allen Taxis abgekratzt worden. Der Funny Club hatte sich beschwert, und mit dem Funny Club wollte es sich niemand verscherzen. Gleich die erste Fahrt wurde unangenehm. Osterstraße. Zwei Trenchcoats zum Großneumarkt. Sie rochen intensiv nach After Shave. Old Spice, vermutete ich.

»Oh, ’n Mädchen, was für’n Glück! Lass dich mal ansehen«, sagte der, der hinten saß, und beugte sich zwischen den Sitzlehnen nach vorn. Er starrte mich aufdringlich an. Sein Gesicht schwebte zehn Zentimeter neben meinem. Nach Schnaps roch er auch. Sofort wurde ich wieder wahnsinnig müde.

»Oh, jetzt ist sie sauer. Bist du sauer?«

Er ließ sich auf die Hinterbank zurückfallen.

»Sie redet nicht mit mir. Ich glaub, sie ist sauer.«

Ich atmete flach ein und wieder aus und fuhr los.

»Hör auf, sie bläst schon«, sagte der neben mir. Dann merkte er, dass er ein zweideutiges Wort benutzt hatte, und verstummte verlegen.

»Kann sie das denn? Kann sie ordentlich blasen?«, brüllte der von hinten, und sein Freund lachte erleichtert. Ich sah stur aus dem Fenster, konzentrierte mich auf das, was außerhalb des Taxis geschah. Bei VW Köster brannte noch Licht. Eine nagelneue Batterie wurde in einen Trabi versenkt. Ein Punker, die Kapuze tief in das Gesicht gezogen, die Hände fest in den Hosentaschen, brüllte auf seine drei riesigen Hunde ein. Am Fernsehturm stand ein Einkaufswagen von Penny. Ein Lastwagenfahrer suchte mit seinem Zwanzigtonner die Einfahrt zum Messegelände. Die Gerichtsgebäude. Die Musikhalle. Die engen Einbahnstraßen der Neustadt. Noch ein Trabant. Ein hellblauer. Ein junges Pärchen machte sich kichernd an dem Scheibenwischer zu schaffen. Erst dachte ich, sie wären dabei, den Scheibenwischer abzubrechen, aber im Vorbeifahren sah ich, dass sie bloß einen Snickers darunter klemmten. Ich hielt am Großneumarkt.

»Und, na, was meinst du dazu?«, fragte der Trenchcoat von der Rückbank. Ich zuckte die Schultern. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung davon, was sie die ganze Zeit geredet hatten.

»Gib ihr ’n gutes Trinkgeld«, sagte er zum vorne sitzenden Trenchcoat. »Ich glaub, sie ist sauer. Du bist sauer, stimmt’s?«

Ich war so müde, dass ich mir ohne Gegenwehr eine Mark und achtzig Pfennige schenken ließ. Dann kreiste ich rund um den Gänsemarkt und den Karl-Muck-Platz, bis es neben mir zweimal laut hupte. Ich schaute hinüber. Vier fette orientalische Bengel saßen in einem schwarzen Mercedes, zeigten mit dem Finger auf mich, lachten und riefen etwas. Ich wendete und brachte den Jetta zur Firma zurück. Dann fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause. Nach zwei Kilometern musste ich schieben. Der Vorderreifen war schon wieder platt. Es kam mir gemein und sinnlos vor. Ich hatte den Reifen sehr sorgfältig geflickt und den Reifenmantel zweimal abgetastet, ob noch irgendwo ein Dorn steckte. Vielleicht lag es an der Felge. Ich biss die Zähne zusammen und schob das Rad nach Hause. Am Fernsehturm begegnete ich dem Punker mit den drei Hunden. Die Hunde verstellten mir den Weg, und der Punker fragte, ob ich eine Mark hätte. Ich gab sie ihm.



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