Töte, wenn du kannst! by Mischke Susanne

Töte, wenn du kannst! by Mischke Susanne

Autor:Mischke, Susanne [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kriminalroman
Herausgeber: eBook Berlin Verlag
veröffentlicht: 2014-10-24T00:00:00+00:00


Die Pistole war leichter, als er angenommen hatte. Dennoch ging schon von ihrem Anblick etwas Gewalttätiges aus. Leander dachte darüber nach, wie es sein konnte, dass ein so kleiner Gegenstand einen Menschen töten konnte, einzig, indem man den Zeigefinger krümmte.

Er hatte so gut wie gar keine Erfahrung mit Waffen. Ein Luftgewehr und selbst geschnitzte Holzpfeile waren alles, was er je abgefeuert hatte. Er war zwar gemustert, aber nie zum Wehrdienst eingezogen worden, und wenn, dann hätte er sich für einen waffenfreien Dienst entschieden. Und jetzt hielt er eine Pistole in der Hand. Das alles hatte binnen weniger Stunden beängstigende Dimensionen angenommen. Die Briefe und die SMS waren noch abstrakt gewesen, sogar das Video und der Schuh konnten Täuschungen sein. Aber die Pistole war real. Kalter grauschwarzer Stahl. Und er würde bald vor der Wahl stehen, für seine Tochter zum Mörder zu werden oder für den Rest seines Lebens über der verpassten Chance zu verzweifeln. So oder so würde sich sein Leben grundlegend ändern. Irgendein perverser Zocker war gerade dabei, es zu verpfuschen.

Was für ein Drama, dachte Leander. Ganz großes Kino, wie seine Volontärin zu sagen pflegte. Und das ihm, ausgerechnet, der sich immer für einen Pazifisten gehalten hatte. Vielleicht wollte jemand nur testen, wie weit er gehen würde? So wie die Geschichte in der Bibel, in der Gott Abraham befahl, seinen Sohn zu opfern, um ihn dann im letzten Moment zurückzuhalten. Wollte jemand Gott spielen? Ausprobieren, ob es stimmte, dass Eltern alles, wirklich alles, für ihr Kind taten? War dies das Experiment eines zynischen Psychopathen und er dessen Marionette? Oder steckte etwas Persönliches dahinter? Wer konnte ihn dermaßen hassen, um so ein Spiel mit ihm zu treiben?

Leander wünschte, er könnte mit jemandem darüber reden. Einem Freund, einer Freundin. Das Problem war nur, dass sie keine Freunde mehr hatten. »Wir bleiben in Kontakt. Meldet euch, wenn wir irgendetwas für euch tun können«, hatten alle gesagt, aber natürlich hatten sich Tinka und Leander nie gemeldet, und umgekehrt waren die Einladungen zu Geburtstagsfeiern und House-warming-Partys nach Lucies Verschwinden so abrupt ausgeblieben, als wäre ihr Unglück eine ansteckende Krankheit. Tinkas Freundinnen waren inzwischen fast alle Mütter oder planten, welche zu werden, und es war klar, dass Tinka sie mied. Sie ertrug ja nicht einmal den Anblick ihres Neffen William und litt darunter, wenn Greta in ihrer unermesslichen Tollpatschigkeit von ihm schwärmte. Und er selbst? Hatte er überhaupt je richtige Freunde gehabt, Menschen, denen man intime Dinge erzählte, so wie Frauen das offenbar untereinander taten? Nein. Leander wusste, dass er tief im Herzen ein eher scheuer Grübler und Individualist war, der sich in Gesellschaft von Büchern wohler fühlte als mit Menschen. Es gab zwei, drei Kumpels aus seiner Studienzeit, mit denen er ab und zu Tennis spielte oder Joggen ging. Aber keinen von ihnen würde er in so ein Geheimnis einweihen wollen. Die Einzige, der er vertrauen würde in dieser Sache, war Eva Röög. Es war zwischen ihnen nicht nur um Sex gegangen, sie hatten sich verstanden. Seelenverwandtschaft. Allerdings hätte Eva so ein Wort vermieden.



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