Tal des Himmels by Steinbeck John

Tal des Himmels by Steinbeck John

Autor:Steinbeck, John [Steinbeck, John]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Es war spät am Nachmittag, als Maria in die Nähe ihres Hauses kam. »Bald sind wir dort«, rief sie Lindo fröhlich zu. »Mut, mein Freund; der Weg ist nicht mehr weit!« Maria sprudelte über vor Erwartung und Vorfreude. In einem Anfall von sorgloser Extravaganz hatte sie gleich vier Kandisstengel gekauft, aber das war noch nicht alles. Für Rosa hatte sie ein Geschenk, ein Paar seidene, mit riesigen knallroten Mohnblumen verzierte Strumpfbänder. In ihrer Phantasie konnte sie sehen, wie Rosa sie anzog und dann den Rock hob, aber natürlich nur ein wenig. Dann würden sie einen Spiegel auf den Boden stellen und darin die Strumpfbänder betrachten. Rosa würde etwas mit der Zehe wackeln, und dann würden die Schwestern vor Glück und Freude weinen.

Im Hof angelangt, spannte sie Lindo gemächlich aus. Sie wußte, es war gut, die Freude hinauszuschieben, denn dadurch wurde sie nur um so größer. Das Haus war sehr still. Keine Fahrzeuge vor dem Hause deuteten auf die Anwesenheit von Kunden hin. Maria hängte das alte Geschirr an den Haken und schickte Lindo auf die Weide. Dann nahm sie die Zuckerstengel und die Strumpfbänder unter den Arm und schritt langsam auf das Haus zu. Rosa saß an einem der kleinen Tische; es war eine stumme, verschlossene Rosa, eine finstere, leidende Rosa. Ihre Augen waren glasig und kalt. Ihre fetten, festen Hände lagen zusammengepreßt vor ihr auf dem Tisch. Als Maria hereinkam, blieb Rosa unbeweglich. Sie drehte sich nicht um, und sie gab keinerlei Zeichen des Erkennens. Maria blieb stehen und starrte sie an.

»Rosa«, sagte sie zaghaft. »Ich bin wieder da, Rosa.«

Langsam wandte sich ihre Schwester und nickte: »Ja.«

»Bist du krank, Rosa?«

Rosa hatte sich wieder dem Tische zugekehrt. »Nein.«

»Ich habe ein Geschenk, Rosa. Schau, für dich, Rosa!« bettelte Maria und hielt die prachtvollen Strumpfbänder empor.

Langsam, sehr langsam kroch Rosas Blick auf die roten Mohnblumen und dann weiter auf Marias Gesicht. Maria war bereit, in quiekende Begeisterung auszubrechen. Aber Rosas Augen wandten sich ab, und zwei dicke Tränen rollten über die Falten neben ihrer Nase.

»Rosa, siehst du mein Geschenk? Gefällt es dir denn nicht? Willst du es nicht anziehen?«

»Du bist mein kleines Schwesterlein.«

»Aber Rosa, so sag doch, was dir fehlt. Bist du krank? Du mußt es deiner Maria sagen. Ist jemand gekommen?«

»Ja«, sagte Rosa, »der Sheriff.«

Da wurde Maria ganz aufgeregt und plapperte los: »Der Sheriff, er ist gekommen? Du, jetzt kann uns nichts mehr fehlen. Jetzt werden wir reich sein! Wie viele Enchiladas, Rosa? Sag, schnell, wie viele für den Sheriff?«

Rosa schüttelte ihre Antipathie von sich; sie ging zu Maria und legte mütterliche Arme um sie. »Mein armes kleines Schwesterlein«, sagte sie. »Nie mehr dürfen wir wieder Enchiladas verkaufen! Jetzt ist alles aus. Jetzt müssen wir wieder wie früher leben, ohne neue Kleider.«

»Rosa! Aber du bist wohl nicht gescheit! Warum sprichst du so zu mir?«

»Es ist wahr. Es war der Sheriff. ›Ich habe eine Klage‹, sagte er. ›Ich habe eine Klage, daß ihr eine wüstes Haus führt.‹ – ›Aber das ist ja eine Lüge‹, sagte ich; ›eine Lüge und eine Beleidigung unserer Mutter und des Generals Vallejo.



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