Störgeräusch by Martin Pichler

Autor:Martin Pichler [Pichler, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783709976999
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2015-12-30T16:00:00+00:00

In der Türöffnung steht Sophie, ihre Arme hängen herunter, die Schlaufen ihrer Schultasche lösen sich von den Schultern und mit einem Klacken plumpst die Scout-Tasche zu Boden.

Mama, ich sag es dir gleich, bevor du es von den anderen hörst! Das Mädchen steht neben Franz und nimmt ihn nicht wahr. Es blickt auf den Küchenfußboden und wartet auf das erste Wort seiner Mutter.

Wie einfach es mit Kindern ist, denkt Maria, wie leicht, sie loszusprechen und ihre Hoffnung zu erraten, geh die Hände waschen, wir essen gleich, solche Befehle genügen, und alle Düsternis verfliegt. Wenn sogar die Mutter dem Ganzen keine große Bedeutung beimisst, dann ist ja alles in Ordnung – diese Rechnung geht immer auf. Maria muss über den Satz ihrer Tochter lächeln, verrät er doch, mit welch diplomatischem Instinkt sich Sophie die moralischen Lehren ihrer Mutter zu Eigen gemacht hat, um sie auszuspielen als Bitte um Nachsicht. Sie erinnert sich, wie sie sich niedergekniet hat und ihr tröstend über die Haare gefahren ist: So, jetzt weißt du es, Geheimhaltung währt nicht lange, auf Umwegen kehrt alles zurück, und dann schlägt es einem mit doppelter Wucht ins Gesicht. Sprich es aus, dann wird dir leichter ums Herz! Vielleicht wird Sophie sie einmal hassen dafür, dass sie ihr dies eingetrichtert hat, und ist es auch nur aus Sorge um sie geschehen. Die Tricks der Erwachsenen, ihre Manipulationen und Täuschungen. Vielleicht wird sie es ihr eines Tages vorwerfen, dass sie mit diesen Eintrichterungen ihr Leben untergraben und ihr Gewissen annektiert hat. Der Zorn ihrer Tochter wird mit selbstgewisser Bestimmtheit auf sie gerichtet sein und nur das eine Ziel wissen, um Rache zu nehmen, denn der Vater fällt von vorneherein aus, seine Abwesenheit verleiht ihm in dieser wie in jeder anderen Angelegenheit Immunität.

Was hast du denn wieder ausgefressen?, fragt Maria.

Ich habe gar nichts getan, da hat mir die Italienisch-Lehrerin eine Strafaufgabe gegeben, antwortet sie und schubst die Schultasche mit dem Fuß gegen die Wand.

Nein, die gehört nicht hierhin, das weißt du genau, ermahnt Maria, bring sie in dein Zimmer, das Essen ist gleich gerichtet. Im selben Augenblick schnappt die Tür ins Schloss und vom Flur tönt eine Bubenstimme: Heute hat es sie erwischt, ich hab es schon im Schulhof gehört, die Grondaia …

Tobi unterbricht sein schadenfrohes Lachen. Hallo Mama, sagt er in die Küche, der eben noch rüpelhafte Ton ist völliger Sanftmut gewichen.

Das ist Franz, er isst mit uns, erklärt Maria, er ist ein Freund von mir. Sie sieht, wie Franz aus seinen Gedanken aufgestört schnell einen wichtigen Entschluss zu fassen sucht, ob er dem Jungen die Hand hinstrecken soll oder nicht, da stößt Tobi ein gleichgültiges Hallo heraus und verschwindet wieder. Der Verschluss der Schultasche klickt gegen das Treppengeländer und das hölzerne Stampfen wird auf den letzten Stufen von Jagdgeheul unterbrochen. Nein, schreit Sophie und ihre Stimme überschlägt sich mehrmals, während Tobis grollendes Lachen ihr hinterhersetzt. Türen knallen. Hört auf mit dem Lärm und kommt runter, wir essen gleich!, ruft Maria und legt unbewusst die Hand auf Franz’ Schulter.

Ich sitze nicht neben ihm,

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