Stadt ohne Namen by H.P. Lovecraft

Stadt ohne Namen by H.P. Lovecraft

Autor:H.P. Lovecraft [Lovecraft, H.P.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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die Horde war grotesk verschiedenartig. Ruhig entfernten sie nach und nach die Steine aus dem alten Gemäuer. Und dann, als die Lücke groß genug war, kamen sie im Gänsemarsch ins Labor, angeführt von dem stolz aufgerichteten Geschöpf mit dem schönen Wachskopf. Eine Art von irrblickendem Ungeheuer hinter dem Anführer bemächtigte sich Herbert Wests. West leistete keinen Widerstand, noch brachte er einen Ton heraus. Dann sprangen alle auf ihn zu und rissen ihn vor meinen Augen in Stücke und trugen die Einzelteile in das unterirdische Gewölbe der unwirklichen Monstrositäten. Wests Kopf wurde von dem Anführer mit dem Wachskopf hinweggetragen, der die Uniform eines kanadischen Offiziers trug. Als er meinen Blicken entschwand, sah ich, daß die blauen Augen hinter den Brillengläsern mit einem Anflug wilder, sichtbarer Erregung schrecklich aufblitzten. Hausangestellte fanden mich in der Frühe bewußtlos auf. West war fort. Der Verbrennungsofen enthielt lediglich unidentifizierbare Asche. Detektive haben mich verhört, aber was kann ich ihnen sagen? Sie werden die Tragödie in Sefton nicht mit West in Verbindung bringen; nicht das und auch nicht die Männer mit der Kiste, deren Existenz sie abstreiten. Ich erzählte ihnen von dem Gewölbe, aber sie deuteten auf die glattverputzte Mauer und lachten. Deshalb sage ich nichts mehr. Sie ziehen den Schluß, daß ich entweder ein Irrer oder ein Mörder sei − möglicherweise bin ich verrückt. Aber ich wäre vielleicht nicht verrückt, wenn diese verfluchten Grabeslegionen nicht so stumm gewesen wären.

Der Tempel

(An der Küste von Yucatan aufgefundenes Manuskript) Am 20. August 1917 deponiere ich, Karl−Heinrich Graf von Altberg−Ehrenstein, stellvertretender Oberbefehlshaber in der Kaiserlich Deutschen Marine und Kommandant des Unterseebootes U−29, diese Flasche und Dokumente an einem mir unbekannten Punkt im Atlantischen Ozean, etwa 20 Grad nördlicher Breite und 35 Grad westlicher Länge, wo mein Schiff kampfunfähig auf dem Grund des Meeres ruht. Ich tue dies aus dem Wunsch heraus, gewisse ungewöhnliche Tatsachen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen; etwas, das ich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr erleben werde, um es selbst zu tun, da die mich umgebenden Verhältnisse ebenso bedrohlich wie ungewöhnlich sind, und sie beziehen sich nicht nur auf die hoffnungslose Kampfunfähigkeit des U−29, sondern auch auf die in ihrer Art verhängnisvolle Verminderung meines eisernen Willens.

Am Nachmittag des 18. Juni, wie durch Funkspruch dem U−61, unterwegs nach Kiel, mitgeteilt wurde, torpedierten wir den britischen Frachter Victory, zwischen New York und Liverpool, bei 45 Grad 16 Minuten nördlicher Breite und 28 Grad 34 Minuten westlicher Länge und erlaubten der Besatzung, in die Boote zu steigen, um für das Admiralitätsarchiv gute Filmbilder zu bekommen.

Das Schiff sank sehr malerisch, mit dem Bug voraus, das Heck hoch aus dem Wasser aufragend, während der Schiffsrumpf senkrecht in die Tiefe schoß.

Unsere Kamera ließ nichts aus, und ich bedauere, daß solch ein guter Filmstreifen nie in Berlin ankommen sollte. Danach versenkten wir die Rettungsboote mit unseren Bordgeschützen und gingen auf Tauchstellung.Als wir ungefähr bei Sonnenuntergang wieder zur Oberfläche emporstiegen, fanden 84

wir auf Deck die Leiche eines Matrosen, dessen Hände in merkwürdiger Weise die Reling umklammerten. Der arme Kerl war jung, ziemlich dunkel und sehr hübsch, vielleicht ein Italiener oder Grieche, und er gehörte zweifellos zur Besatzung der Victory.



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