Sommerfest by Frank Goosen

Sommerfest by Frank Goosen

Autor:Frank Goosen
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783462305296
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2012-02-27T21:58:16+00:00


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11 Sie stehen auf dem Hof eines ehemaligen Sanitärfachbetriebes, vor einem Backsteinbau mit Laderampe, in dem früher die Werkstätten untergebracht waren, und blicken auf einen alten Fernseher, der vor der Rampe auf einem Sockel steht. Auf dem Bildschirm erzählt ein Mann mit langen, ihm ständig im Gesicht hängenden Haaren die Geschichte von Odysseus, und zwar als eine Art Science-Fiction, in dem der Held von Troja nicht auf einem Schiff durch den Mittelmeerraum odyssiert, sondern in einer Raumkapsel durch das All irrt, was zur Folge hat, dass, als er zu seiner Gattin Penelope zurückkehrt, für ihn nur zehn Jahre, für sie aber achtundvierzig vergangen sind und er auf eine Frau trifft, die seine Mutter sein könnte und längst mit ihm abgeschlossen hat. Das erzählt der Langhaarige in einer merkwürdigen, leicht irren, hypnotischen Sprechweise, garniert mit polnischem Akzent.

Der Bildschirm wird dunkel, und Stefan und die anderen, etwa achtzig Zuschauer, werden in die Werkstatt geführt, wo auf einem verwinkelten Laufsteg aus einfachen, schwarzen Bühnenelementen Odysseus nun live auf Penelope trifft. Penelope hat dunkles Haar mit grauen Strähnen, Odysseus ist ein junger blonder Mann in einem alten Ledermantel und kommt ziemlich martialisch rüber.

In wohlgesetzten Worten reden Penelope und Odysseus darüber, wie schwierig das jetzt alles sei, wo doch Odysseus’ Sohn Telemach nun sechzehn Jahre älter als sein Vater ist. Die Witwe, die keine mehr ist, will ihrem Wiederaufgetauchten nicht verraten, wie viele Männer sie in seiner Abwesenheit hatte, was ja auch irgendwie albern wäre, findet Stefan, und am Ende sagt sie, Odysseus müsse nicht zurückgehen und dass er ganz müde ausschaue nach seinen Irrfahrten.

Die Frau, das wird deutlich, ruht ganz in sich, ist sich ihrer Rolle sicher, und Stefan kann nicht anders, er vergleicht sich mit ihr. So sicher hat er sich schon lange nicht mehr bei der Arbeit gefühlt. Der junge Mann, der den Odysseus spielt – ein Bengel im Grunde, aber Stefan kommt jetzt in das Alter, wo man sich von immer mehr Bengeln umgeben sieht –, der junge Mann glaubt nur, sich seiner Sache sicher zu sein, er spricht ein kleines bisschen zu gut, zu schön. Ohne Zweifel ist er begabt, aber noch umweht von dem arroganten Glauben, nicht scheitern zu können. Stefan beneidet auch ihn, und da geht es auch schon weiter.

Über eine wackelige Wendeltreppe, die kein TÜV, kein Ordnungsamt so genehmigt hätte, steigen sie alle in den ersten Stock, wo die Ausstellung hängt, die heute eröffnet und zu deren Feier dies alles veranstaltet wird, aber bevor sie sich die Bilder anschauen können, gibt es noch eine Lesung, diesmal mit dem langhaarigen Polen, der vorhin noch auf dem Video zu sehen gewesen ist.

Es ist von Cowboystiefeln, die in Weichteile traten, die Rede, aber Cowboystiefel, heißt es, müssen es gar nicht sein, denn auch Pantoffeln seien nur Menschen, sobald sie an Füßen steckten. Es geht um Nazifackeln, um brennende Scham, den brennenden Anus, den brennenden Darm, und dass man sich vorstellen solle, man sitze auf dem Klo, in den Händen einen Gedichtband von Goethe; mit schläfrigen Augen folge man den Zeilen,



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