Sohn ihres Vaters by Ben Jelloun Tahar

Sohn ihres Vaters by Ben Jelloun Tahar

Autor:Ben Jelloun, Tahar
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2013-09-29T16:00:00+00:00


Die Frau mit dem schlecht rasierten Bart

Im Hintergrund, nicht auf der Bühne, sondern in dieser Geschichte entrollt sich ein breites, vielfarbiges Band; vom Wind aufgebläht wird es zum durchsichtigen Vogel, es tanzt am hintersten Zipfel des Horizonts, wie um diesem Abenteuer die nötigen Farben und Lieder wiederzugeben. Wenn der Wind nur eine Sommerbrise ist, flattert das Band im regelmäßigen Rhythmus eines dahingaloppierenden Pferdes. Auf dem Pferd sitzt ein Reiter mit einem großen Hut, der mit Ähren, Lorbeerzweigen und wilden Blumen bekränzt ist. Wenn er dort hinten stehen bleibt, dort, wo man den Tag nicht mehr von der Nacht unterscheiden kann, in jener Landschaft mit von Kindern bemalten Steinen, wo sich die Statuen in die Mauern schmiegen, dort, in der Reglosigkeit und Stille wird er unter den Blicken liebender junger Mädchen zum Baum, der die Nacht bewacht. Am Morgen umfangen die ersten Lichtstrahlen den Baum, verpflanzen ihn, geben ihm einen Körper und Erinnerungen und lassen ihn dann zu einer Marmorstatue erstarren, deren Arme mit Blättern und Früchten überladen sind. Darum herum ein weißer, nackter Raum, in dem alles von außen Eingedrungene zerfließt, zu Sand, Kristallen, kleinen ziselierten Steinen wird. Der Morgenstatue gegenüber steht ein großer alter Spiegel; er wirft nicht das Bild der Statue zurück, sondern das des Baumes, denn er ist ein Gegenstand mit Gedächtnis. Die Zeit gehört dieser vor Licht glühenden Nacktheit. Die Uhr ist ein seelenloser Mechanismus; sie ist stehen geblieben von Rost und Abnutzung, von der Zeit, dem Atem der Menschen entstellt.

Freunde! Die Zeit ist dieser Vorhang, der sich gleich auf die Vorstellung senken und unsere Hauptfigur mit einem Leichentuch einhüllen wird.

Gefährten! Die Bühne ist aus Papier! Die Geschichte, die ich euch erzähle, ist altes Packpapier. Ein Streichholz, eine Fackel würden ausreichen, um am Vorabend unserer ersten Begegnung alles ins Nichts zurückzuverbannen. Die Tore und Tage würden vom selben Feuer verschlungen. Nur unsere Hauptfigur bliebe verschont! Sie allein könnte unter der Asche Schutz, Zuflucht und die Fortsetzung unserer Geschichte finden.

In seinem Buch spricht er von einer Insel. Vielleicht ist das seine neue Bleibe, das Hinterland, die Nachgeschichte, die jenseitige Weite, die unendliche weiße Stille.

Unser Freund – ich weiß nicht, welchen Namen ich ihm geben soll – wurde zur Hauptattraktion des Wanderzirkus. Er zog Männer und Frauen an und brachte dem Boss viel Geld ein. Er war weit weg von seiner Heimatstadt, und sein Verschwinden hatte keinerlei Auswirkung auf das große zerfallene Haus. Er tanzte und sang. Sein Körper fand zur Freude und zum Glück eines verliebten Jugendlichen. Sie versteckte sich zum Schreiben. Die Alte überwachte sie. Abbas beschützte sie. Mal Mann, mal Frau, tastete sich unsere Hauptfigur vor in der Zurückeroberung ihres Wesens. Er schlief nicht mehr unter den Akrobaten, sondern im Frauenwohnwagen; sie aß mit ihnen und ging mit ihnen aus. Man nannte sie Lalla Zahra. Sie mochte diesen Vornamen. Keine Wehmut; sie wehrte der Flut der Erinnerung. Der Bruch mit der Vergangenheit war nicht leicht. Also erfand sie diese weißen Räume, in die sie mit einer Hand verrückte Bilder warf und sie mit der anderen in Lebenslust kleidete, in die Lust ihres Traumlebens.



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