Sinfonie des Todes by Armin Öhri / Vanessa Tschirky

Sinfonie des Todes by Armin Öhri / Vanessa Tschirky

Autor:Armin Öhri / Vanessa Tschirky
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimis & Thriller
veröffentlicht: 2011-02-28T05:00:00+00:00


Gegen Viertel vor elf hatte sich Robert Fichtner in Schale geworfen. Er trug einen schwarz-grauen Sakkoanzug mit Schal; in der einen Hand hielt er den dazu passenden Gehstock, in der anderen einen Hut. Auf dem Weg ins Central machte er bei einer Tabaktrafikantin Station, wo er eine edle Packung Virginias erstand, die er später im Kreise herumzureichen gedachte. Er wusste um den Nutzen der Freigebigkeit, und außerdem zog er es vor, gut gelaunte Gesichter um sich zu sehen, auch auf die Gefahr hin, dass seine Lunge darunter zu leiden hatte.

Er bezahlte die Zigarren und schlug den Weg zum ersten Bezirk Richtung Banken- und Börsenviertel ein, wo er einen kurzen Abstecher in das Hauptgebäude seiner Sparkasse machte und Lina von seinem Konto einen angemessenen Betrag für seinen Anteil an den Beerdigungskosten überwies. Als er wieder aus der Bank kam, schwappte von irgendwo ferne Musik zu ihm her, die ihn beschwingt werden ließ. Mit Genugtuung stellte er einen Stimmungswechsel bei sich fest. Mochte es der wienerischen Wesensart oder der Schwindsucht zuzuschreiben sein, dass er so urplötzlich von seiner Wehmut abgelassen hatte – auf jeden Fall war Fichtner froh darüber, und bis er in die Herrengasse eingebogen war, schritt er munter aus.

Die Fassade des Café Central tat sich vor ihm auf, schön und prächtig wie der klare Tag. Der Werksteinbau des Hauses war im Neorenaissance-Stil der Toskana gehalten, von dem sich der Architekt auf einer Reise nach Venedig und Florenz hatte inspirieren lassen. Alles war prächtig und sogar überbordend, wobei das Äußere des Gebäudes wohl einzig vom Glanz seiner temporären Insassen übertroffen wurde, die sich hier ein Stelldichein gaben: Minister und Ministerialräte gingen hier ein und aus, Maler und Poeten suchten an diesem Ort den Kuss der Muse, während Intellektuelle und Feuilletonisten ihre geistigen Klingen schärften und Opernsängerinnen und ›süße Mädel‹ sich gleichermaßen in die geheiligten Hallen des Central verirrten. Das Café an der Herrengasse war ein Basar der Ideen, ein Jahrmarkt der Weltanschauungen – Café Größenwahn sozusagen.

Als Robert Fichtner durch die Tür trat, präsentierte sich ihm das gewohnte Bild an Kellnern und Aufwärterinnen, die sich in beinahe lässig-phlegmatischer Weise den Gästen andienten und in betulicher Ruhe Melange und Kipferl servierten. Ab und zu hatte sich sogar ein profaner Obstler unter die Getränke gemischt, was die Bedienungen mit despektierlicher Miene zu goutieren wussten.

In Gruppen zu viert oder zu fünft hatten sich die Besucher um die kleinen runden Tischchen herum niedergelassen und stießen paffend neblige Rauchwolken aus, die sich zur Decke hin verflüchtigten.

»Na, sieh mal einer an, der Herr Sektionsrat ist wieder in der Stadt«, drang es von einer der hinteren Ecken des Raumes an Fichtners Ohr heran. Es war eine melodiöse Stimme, leicht spöttisch, doch von unverkennbarer Herzlichkeit. Fichtner erkannte in dem Mann, der die Bemerkung fallen lassen hatte, den Herausgeber Kraus, der sich von einer zahlreichen Anhängerschaft umringt sah, die mit Nonchalance seine Sottisen aufnahm und wie heidnische Götzendiener an seinen Lippen hing.

»Noch immer spöttelnd und desavouierend, werter Karl?«, entgegnete Robert, sowie er sich einen Weg durch das Gewirr an Tischen und Stühlen gebahnt hatte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.