Silentium! by Haas Wolf

Silentium! by Haas Wolf

Autor:Haas, Wolf [Haas, Wolf]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-11-13T00:00:00+00:00


8

Auf dem Heimweg über den Kapuzinerberg hat der Brenner den morgigen Kopfwehanfall schon ein bißchen kommen gespürt. Es war aber nicht der Alkohol, weil so viel hat er auf der Party gar nicht getrunken. Es war mehr das Reden. Und das Zuhören. Und vor allem das scheinbare Zuhören, während man in Wahrheit gerade nebenan zuhört.

Weh getan hat ihm der Kopf noch kein bißchen, aber eben aus Erfahrung hat er schon gewußt, es läßt sich nicht mehr aufhalten. Weil auf dem Heimweg schon untrügliches Zeichen: zuviel aufgeregtes Durcheinander im Kopf, zu viele schnatternde Gedanken, quasi Gedankenparty.

Aber interessant, genauso wie er beim Gespräch mit dem Vize in Gedanken nebenan beim Sportpräfekt Fitz und dem Dr. Prader war, hat er am Heimweg zwar über das Haus in Petting nachgedacht und darüber, daß das Küchenmädchen eine fünfzehnjährige Philippinin war, aber in Wirklichkeit war er auch schon die ganze Zeit bei einem anderen Gedanken, praktisch Unhöflichkeit gegenüber den eigenen Gedanken.

Wie gesagt, es ist nicht vom Alkohol gekommen, daß er die ganze Zeit bei der Rede vom Monsignore Schorn war. Und bestimmt nicht vom Vollmond, weil so richtig Vollmond war ja noch gar nicht, sondern erst in zwei Tagen, es hat nur schon so ausgesehen wie Vollmond. Und es ist bestimmt nicht vom Wetter allein gekommen. Obwohl es schon ein bißchen gespenstisch war, wie der Föhnsturm über den Kapuzinerberg gefahren ist.

Und Föhn immer gefährlich für Kopfweh, da hätte der Brenner schon ein bißchen aufpassen sollen, daß ihm die Gedanken nicht zu wild durch den Kopf galoppieren, damit er es nicht am nächsten Tag büßen muß. Andererseits ist das ja gerade das Wesen der ganzen Sache, daß du dich in dem Moment schon nicht mehr in der Hand hast. Und nicht erst am nächsten Tag, wenn du endgültig mit dem Gefühl aufwachst, als hätte dir eine von diesen Ramm-Maschinen, die sonst beim Tiefbau die Eisenpfähle in den Boden jagen, den Kopf zwischen die Schultern hineingestopft wie das reinste Wasserballventil.

Jetzt hat er sich am Heimweg über den rauschenden Kapuzinerberg steif und fest eingebildet, daß der Monsignore Schorn seine Rede gar nicht für die Partygäste gehalten hat. Sondern ausschließlich für den Brenner, sprich letzte Warnung.

«Es ist mir eine besonders große Freude», hat der Monsignore Schorn seine Rede begonnen, «daß gerade die größten Künstler der Welt nicht auf die Ärmsten der Armen vergessen. Niemand weiß so gut und aus so tiefer eigener Erfahrung, daß die größten Werke des Menschen aus dem Verzicht entstehen. Nur der Dilettant greift wollüstig nach allem, was ihm in die Finger kommt. Zur Kunst aber findet ein Werk erst in der Selbstbeschränkung. So wie der Mensch erst zu wahrem Menschsein findet, wenn er begreift: Geben ist seliger als nehmen.»

Mein lieber Schwan, vor lauter Föhn und Mond und Kopfweh im Anmarsch hat der Brenner den Anfang der Rede noch fast wörtlich im Kopf gehabt. Den Rest der Ansprache hat er sich aber nur noch bruchstückhaft zusammenklauben können. Wenn er am Anfang der Party schon gewußt hätte, daß der Redner der Monsignore Schorn war, hätte er natürlich von vornherein besser aufgepaßt.



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