Selbs Justiz by Bernhard Schlink & Walter Popp

Selbs Justiz by Bernhard Schlink & Walter Popp

Autor:Bernhard Schlink & Walter Popp [Schlink, Bernhard & Popp, Walter]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2007-09-15T08:06:08+00:00


Damit wären sie vielleicht durchgekommen, aber Weinstein bekundete ein Gespräch zwischen Dohmke und Tyberg, in dem beide einig waren, die Entdeckung zu unterdrücken, um ein rasches Ende des Krieges auch um den Preis der deutschen Niederlage herbeizuführen.

Und nun hatte es ein solches Gespräch gar nicht gegeben.

Die Sabotagegeschichte hatte damals große Empö-

rung hervorgerufen. Der zweite Anklagepunkt der Rassenschande hatte mich schon damals nicht überzeugt; meine Ermittlungen hatten keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß Tyberg mit einer jüdischen Zwangs-arbeiterin verkehrt habe. Man hatte ihn auch deswegen zum Tode verurteilt. Ich überlegte, wer von der ss und wer von der Wirtschaft damals das Komplott eingefä-

delt haben konnte.

Auf der Golden Gate Bridge floß stetig der Verkehr.

Wo wollten die Leute alle hin? Ich fuhr zur Auffahrt, parkte mein Auto unter dem Denkmal des Erbauers und lief bis in die Mitte der Brücke. Ich war der einzige Fußgänger. Ich sah hinunter auf den metallisch schim-mernden Pazifik. Hinter mir rauschten die Straßenkreuzer in gefühlloser Gleichmäßigkeit. Ein kalter Wind pfiff durch die Halteseile. Mich fror.

Mit Mühe fand ich mein Hotel wieder. Es wurde

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schnell dunkel. Ich fragte den Portier, wo ich eine Flasche Sambuca kriegen könne. Er schickte mich zu einem Liquor Store zwei Straßen weiter. Vergebens schritt ich die Regale ab. Der Inhaber des Ladens be-dauerte, Sambuca habe er nicht, aber was Ähnliches, ob ich nicht Southern Comfort probieren wolle. Er packte mir die Flasche in eine braune Packpapiertüte, die er oben zusammenzwirbelte. Auf dem Weg zurück zum Hotel kaufte ich mir einen Hamburger. Mit meinem Trenchcoat, der braunen Tüte in der einen und dem Hamburger in der anderen Hand fühlte ich mich wie ein Komparse in einem zweitklassigen amerikanischen Kriminalfilm.

Im Hotelzimmer legte ich mich aufs Bett und schaltete den Fernsehapparat ein. Mein Zahnputzbecher war in eine frische Zellophantüte verpackt, ich riß sie ab und schenkte mir ein. Southern Comfort hat mit Sambuca aber auch gar nichts zu tun. Trotzdem schmeckte er angenehm und rollte ganz selbstverständlich durch meine Kehle. Auch das Footballspiel im Fernsehen hatte mit unserem Fußball rein nichts zu tun. Aber ich verstand das Prinzip und folgte dem Spiel mit zunehmender Spannung.

Nach einer Weile klatschte ich, wenn meine Mannschaft den Ball ein gutes Stück vorangebracht hatte.

Dann kriegte ich Spaß an den Werbesendungen, die das Spiel unterbrachen. Schließlich muß ich gejohlt haben, als meine Mannschaft gewann, denn es klopfte an die Wand. Ich versuchte, aufzustehen und zurückzuschla-gen, aber das Bett kippte immer auf der Seite hoch, auf 265

der ich raussteigen wollte. Es war ja auch nicht so wichtig. Hauptsache, das Nachschenken klappte noch. Den letzten Schluck ließ ich in der Flasche. Für den Rückflug.

Mitten in der Nacht wachte ich auf. Jetzt fühlte ich mich betrunken. Ich lag in Kleidern auf dem Bett, der Fernsehapparat spuckte Bilder aus. Als ich ihn ausschal-tete, implodierte mein Kopf. Ich schaffte es, meine Jak-ke auszuziehen, ehe ich wieder einschlief.

Beim Aufwachen wußte ich für einen kurzen Mo-

ment nicht, wo ich war. Mein Zimmer war geputzt und aufgeräumt, der Aschenbecher leer und der Zahnputzbecher wieder in Zellophan. Auf meiner Armbanduhr war es halb drei. Ich saß lange auf dem Klo und hielt meinen Kopf.



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