Schweigt still die Nacht by Brenna Yovanoff

Schweigt still die Nacht by Brenna Yovanoff

Autor:Brenna Yovanoff [Yovanoff, Brenna]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-05-06T22:00:00+00:00


KAPITEL 17

BEICHTE

Den Unterricht am nächsten Tag durchlebte ich wie in Trance. Ich hatte kaum geschlafen, aber der Stärkungstrank machte alles einigermaßen erträglich. Roswell wollte wissen, warum Tate in der Nacht so verstört gewesen war, und ich tischte ihm eine komplett bescheuerte Geschichte darüber auf, dass mir im Auto übel geworden wäre, was Tate ziemlich aus der Fassung gebracht hätte. Er glaubte mir offensichtlich kein Wort, aber er ließ mich trotzdem in Ruhe.

Ich hatte mich den ganzen Morgen mental auf die nächste Begegnung mit Tate vorbereitet, doch sie war gar nicht in der Schule. Es war das erste Mal seit Langem, dass sie fehlte – sogar am Tag der Beerdigung war sie ja zur Schule gekommen. Von außen betrachtet schien ihr Fehlen also längst überfällig. Aber ich wurde den Gedanken nicht los, dass sie mich mied, vielleicht, weil sie mir all die Sachen über ihre Schwester erzählt hatte, vielleicht aber auch, weil ich sie geküsst hatte.

Dieser Gedanke erleichterte mich mehr, als ich gedacht hätte. In den letzten Tagen war mein Leben ziemlich aus der Bahn geraten und Tate war eine weitere Komplikation, mit der ich nicht umzugehen wusste. Trotzdem ertappte ich mich im Laufe des Tages, während Referaten und Hausaufgabenbesprechungen, immer wieder dabei, wie ich an unseren Kuss zurückdachte.

Zu Hause angekommen, wollte ich mich nur noch vor die Glotze setzen und mein Hirn abschalten.

Als ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich Emma lachen. Sie kam gerade aus dem Wohnzimmer, während ich mir noch die Füße abtrat und mich aus meiner nassen Jacke schälte. Sie lächelte, ein breites, hilfloses Lächeln, das zu sagen schien, selbst wenn sie wollte, könnte sie nicht aufhören, weil es einfach zu lustig war. Auf dem Kopf trug sie einen schwarzen Regenschlapphut.

»Der gehört Janice«, erklärte sie, riss sich den Hut vom Kopf und versuchte, ihr Haar zu glätten. »Wir haben nur ein bisschen rumgealbert.« Mit besorgtem Blick streckte sie die Hände aus, legte sie um mein Gesicht und zog es zu sich herunter, damit ich ihr in die Augen sah. »Du wirkst erschöpft. Ist wirklich alles okay?«

Ich nickte und stellte fast schockiert fest, dass das die Wahrheit war. Der einzige Grund für meine Erschöpfung war, dass ich die ganze Nacht unterwegs gewesen war. »Bin nur müde.«

Emma warf mir einen zweifelnden Blick zu und lief die Treppe hoch. Ich holte mir einen Apfel aus der Küche und ging ins Wohnzimmer. Ich wollte sehen, was das mit Janice auf sich hatte.

Sie saß auf dem Sofa und blätterte durch ein Lehrbuch. Ihr Haar hing ihr ums Gesicht und sie sah wieder unscheinbar und irgendwie fehlgeraten aus.

»Was willst du hier?«, fuhr ich sie an. »Ich hab euch gegeben, was ihr wolltet, also hört auf, Emma zu belästigen.«

Janice blätterte zum Register vor, dann wieder zurück durch die Kapitel. »Ich belästige Emma nicht. Wir lernen zusammen. Und ich will ja nicht spitzfindig sein, aber sie hat mich gefragt. Ich hab nicht nach hübschen Musikern Ausschau gehalten, ich war nur in einer Vorlesung.«

Ich setzte mich ihr gegenüber und beobachtete, wie sie sich in einem kleinen, in Leder gebundenen Buch Notizen machte.



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