Schimmert die Nacht by Maggie Stiefvater

Schimmert die Nacht by Maggie Stiefvater

Autor:Maggie Stiefvater [Maggie Stiefvater]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-11T04:00:00+00:00


KAPITEL 23

COLE

Nachdem die Folge im Kasten war und bevor Isabel von der Arbeit kam, hing ich noch eine Weile mit Jeremy an seinem verbeulten Pick-up auf einem Parkplatz am Strand rum. Nur wir zwei. Leyla hatte ich mit dem Saturn nach Hause geschickt, in der Hoffnung, keinen von beiden je wiederzusehen.

Alles, was man hörte, waren die Autos auf der Straße, irgendjemandes Gettoblaster, Meeresrauschen und das Klatschen eines Volleyballs auf bloße Unterarme. Ich legte mich auf eine trockene, zerknitterte Plane auf der Ladefläche des Pick-ups und Jeremy lehnte sich an einen der Reifen und betrachtete mich und den Ozean. Über unseren Köpfen schien die Sonne durch die Kondensstreifen der Flugzeuge und buk Risse in den Asphalt unter uns. Ich war immer noch ganz aufgedreht von der Arbeit an meinem Album und jetzt wäre der perfekte Moment für ein Bier gewesen. Jeremy bot mir ungesüßten Eistee an.

»Bleib mir bloß weg mit dem Gebräu«, sagte ich, nahm das Einmachglas aber trotzdem entgegen und stellte es neben meinen Kopf. Ein paar lange, kameradschaftliche Minuten taten wir gar nichts. Jeremy legte den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel. In der prallen Sonne sah er aus wie ein runzeliger Australier. Ich schloss die Augen und ließ mir die Hitze auf die Lider brennen. Hier mit Jeremy wäre es so leicht gewesen, so zu tun, als hätte es die letzten drei Jahre meines Lebens nie gegeben, als könnte ich einfach noch mal von vorn anfangen, ohne meine ganzen Sünden. Nur dass ich dann nie Isabel getroffen hätte und jetzt nicht hier in Kalifornien gewesen wäre. Ich fragte mich, ob es auch einen direkteren Weg an diesen Ort gegeben hätte. Vielleicht hatte ich mich ja längst darauf befunden und dann bloß alles in den Sand gesetzt. Vielleicht hätte ich Isabel, wenn ich immer schön auf dem Pfad der Tugend geblieben wäre, irgendwann auf einem Konzert kennengelernt.

Nein, sie mochte schließlich keine Konzerte, und ich eigentlich auch nicht.

Ich dachte an die drei halb nackten Mädels in meiner Wohnung und daran, dass sie niemals Isabel hätten sein können und Isabel niemals sie.

Ich konnte die Augen nicht geschlossen halten, weil mein Gehirn plötzlich schneller und schneller arbeitete anstatt langsamer und langsamer. Ich öffnete sie und sagte: »Irgendwie sehen auf einmal alle Mädchen so alt aus. Wann hat das bloß angefangen? Bei jeder, die mir begegnet, sehe ich bloß, wie sie mal mit vierzig aussehen wird. Das ist die schlimmste Superkraft, die es gibt.«

Jeremy erwiderte nachdenklich: »Echt? Ich sehe Menschen immer als Kinder. Schon seit der Highschool oder so. Egal, wie sie sich benehmen oder wie alt sie in Wirklichkeit sind, ich kann sie nicht nicht als Kinder sehen.«

»Wie schrecklich. Wie soll man denn je jemandem den Mittelfinger zeigen, wenn man ihn als Kleinkind vor sich sieht?«

»Genau«, sagte Jeremy.

»Sag mal. Warum ist Leyla eigentlich so unausstehlich?«

»Ach komm, du weißt doch, dass ich es nicht mag, Leute zu beurteilen.«

»Wir alle tun Sachen, die wir nicht mögen.«

Er knibbelte ein Klümpchen Gummi von dem Reifen und schnippte es auf meine Brust. »Sie ist einfach nicht ganz auf einer Wellenlänge mit uns.



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