Schattenzwilling by Katrin Bongard

Schattenzwilling by Katrin Bongard

Autor:Katrin Bongard [Bongard, Katrin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783864180248
Herausgeber: Oetinger Taschenbuch
veröffentlicht: 2014-09-02T04:00:00+00:00


19

In meinem Zimmer werfe ich mich auf mein Bett, drücke mein Gesicht in das Kissen und hoffe, dass alles, was Kai mir erzählt hat, verschwindet. Aber das tut es natürlich nicht. Soll ich mit meinen Eltern darüber reden? Erst mit Jasper. Trotzdem gehe ich durchs Haus und suche meine Mutter, nach dieser Geschichte von Kai habe ich Sehnsucht nach Normalität und Geborgenheit.

Meine Mutter sitzt vor dem Haus auf einer kleinen Bank in der Sonne und sieht über den Hof, die Augen leicht geschlossen. Ich kenne diese Stimmung. Sie plant gerade.

»Mama?«

Sie öffnet die Augen, als ob sie aus dem Schlaf erwacht.

»Oh, Tessa, alles gut?«

Ich nicke.

»Nett, dass du dich ein bisschen um Kai gekümmert hast. Er sitzt da ganz alleine im Zimmer. Adrian meinte, das wäre völlig in Ordnung, aber ich hoffe, er ist bald wieder fit.«

Ich setze mich neben meine Mutter und sehe mit ihr über den Hof, zur Scheune, den Tiergehegen. Ich mag die Ruhe. Wie wird es sein, wenn hier Jugendgruppen zu Besuch sind? Im Moment bin ich schon von diesem Besuch überfordert.

»Mama? Die Mutter von Adrian und Kai …«

»Nina?«

»Ja. Papa meinte, sie wäre manisch-depressiv gewesen. Was bedeutet das?«

Meine Mutter seufzt. »Manisch-depressive Menschen haben stark wechselnde Stimmungen, ohne Einfluss darauf zu haben. Mal sind sie aufgedreht, beschäftigt, überaktiv, übereuphorisch, im nächsten Moment kann das in eine Depression umschlagen oder Selbstmordgedanken.«

Ich denke, dass mir die Zwillinge manchmal so vorgekommen. Nur dass der eine dann manisch ist und der andere depressiv.

»Deshalb hat sie sich umgebracht?«

»Ihr Tod ist nie wirklich geklärt worden.«

»Das hast du schon mal gesagt. Was meinst du damit?«

Meine Mutter sieht mich nicht an.

»Mama?«

Sie dreht sich zu mir, ihr Blick ist traurig, aber ich kann ihn nicht ganz deuten. »Nun, was soll’s, du bist alt genug.« Sie seufzt wieder. »Weißt du, dein Vater hängt sehr an der Erklärung, dass es Selbstmord war. Ninas Entscheidung. Und er gibt Matthias die Schuld. Aber so einfach ist es nicht.«

»Wie meinst du das?«

»Na ja, Nina und Matthias’ Ehe war nicht ganz perfekt. Sie hat mir oft gesagt, dass Matthias zu viel arbeitet, dass er sie von Anfang an mit den Zwillingen allein gelassen hat. Du warst ein sehr liebes Baby und hast viel geschlafen, aber wenn ich zwei Kinder wie Jasper auf einmal gehabt hätte … unmöglich ohne Hilfe. Und auch die Zwillinge waren immer sehr aktiv.«

Ich verstehe nicht ganz, was das mit dem Selbstmord zu tun hat.

»Weißt du«, meine Mutter senkt die Stimme, »Nina hatte einen Geliebten.«

Es ist ein Gespräch unter Frauen, ich nehme an, mein Vater weiß nichts davon.

»Weiß Papa …?«

»Nina hat es mir anvertraut, ich habe versprochen, es Andreas nicht zu erzählen. Und ich will auch jetzt nicht die Beziehung von Andreas zu Matthias dadurch belasten.«

»Wusste es Matthias denn?«

»Keine Ahnung. Sie ist dann gestorben, zu viele Tabletten. Aber sie hatte auch kleine Verletzungen, als ob es vorher einen Kampf gegeben hätte.«

»Mit Matthias?«

»Er behauptet, sie wäre hysterisch gewesen und er hätte sie nur beruhigen wollen.«

Ich richte mich gerade auf. »Mama, du glaubst doch nicht, dass er …«

Meine Mutter hebt sofort die Hände.



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