Schattenkult: Roman (German Edition) by Robert Corvus

Schattenkult: Roman (German Edition) by Robert Corvus

Autor:Robert Corvus [Corvus, Robert]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub
ISBN: 9783492966610
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2014-05-11T22:00:00+00:00


DIE SIEBTE STUNDE DER NACHT

Arilur schnitzte Späne aus dem Labortisch. Er hatte immer ein Schnitzmesser bei sich. Schnitzen beruhigte ihn, seit er ein kleiner Junge war. Und jetzt musste er Ruhe bewahren, um nicht alles zu verderben. Er sah auf das Becken, in dem der Bronzerahmen in einem gelben Bad lag, halb Flüssigkeit, halb Dampf. Ganz wie es sein sollte.

Nachdem er die Länge des Rahmens an das Einhorn angepasst hatte, lief tatsächlich alles wie vorgesehen. Sogar Bentora hatte sogleich eingelenkt, als er ihr vorgehalten hatte, dass er seinen Teil des Handels mit den Schatten erfüllt hatte und deswegen keine Verpflichtung bestand, an diesem Festessen des Orakels teilzunehmen. Er würde schon bald sein eigenes Fest feiern, und er hatte nicht die Absicht, es zu verzögern.

Dennoch musste er Ruhe bewahren. Alles brauchte seine Zeit, wenn auch nicht mehr viel.

Die Salbe war beinahe vollständig in das Horn eingezogen, aber an einigen Stellen glänzte es noch. Ein wenig würde es noch dauern, bis alles bereit wäre. Aber was war das schon verglichen mit den zwei Jahren, die er gebraucht hatte, um den Bronzerahmen zu beschaffen? Niemand sah dem Werkstück an, welche Mühe in ihm steckte. Die Zauberrunen befanden sich in seinem Innern. Arilur hatte sie in dunklen Nächten in jene Schichten gegraben, die teure Meisterschmiede dann wieder und wieder gefaltet, gehämmert, gefaltet, gehämmert und am Ende poliert hatten. Später würden sie aufleuchten, durch das Metall hindurchstrahlen. Das wäre der untrügliche Beweis, dass alles gelungen wäre.

Zwei Jahre, seit er das Metall beisammengehabt hatte. Er schnitzte noch einen langen Span aus der Tischkante. Auch die zwei Jahre waren ein Witz im Vergleich zu der langen Zeit davor.

Die Demütigungen hatten schon vor der Reise begonnen, auf die sein Vater ihn mitgenommen hatte. Als die Jungen seines Alters angefangen hatten, sich für Mädchen zu interessieren. Arilur war keine Ausnahme gewesen. Frauenkörper faszinierten ihn, damals wie heute. Wie seine Altersgenossen hatte er seine fortschreitenden Kenntnisse weiblicher Anatomie in möglichst detailgetreuen Zeichnungen dokumentiert. Da das Interesse auch beim anderen Geschlecht bestanden hatte, hatte es bald die ersten Verabredungen an abgelegenen Orten gegeben. Zeig mir deines, ich zeige dir meines, war das Motto gewesen. Führe meine Finger, auf dass sie nicht im Dschungel fehlgehen. So hatte auch Arilur seine erste Spalte vermessen. Gemeinsam mit zwei Kameraden, weil er so aufgeregt gewesen war. Aber seine Lanze hatte sich nicht aufgerichtet, wie es bei den beiden anderen geschehen war. Eine Schlappe, die bei dem Mädchen zu noch verschämterem Kichern geführt hatte als die Erfolge, die es hatte verbuchen können.

Ein erneuter Blick zum Rahmen ließ Arilur entscheiden, dass er noch ein wenig warten sollte. Er nahm das Horn und rollte es herum, damit es auch auf der anderen Seite gut trocknete.

Zwei weitere Versuche mit Mädchen, dann hatte er sich in seine Bücher vergraben. Das Schweigen derjenigen, die Bescheid wussten, hatte sich Arilur erkauft. Mit einer Kette, der eigenen Mutter gestohlen. Mit seiner Portion des Festessens auf dem Winterball des Barons. Mit seinem Wissen über interessante Begebenheiten aus dem Leben der Bedeutenden. Oder mit seiner Unterstützung, wenn Prüfungen angestanden hatten.



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