Schatten in der Gironde by Maria Dries

Schatten in der Gironde by Maria Dries

Autor:Maria Dries
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2022-09-28T12:35:44.332000+00:00


27. APRIL

Um fünf Uhr morgens spielte Sylvies Handy lautstark den Refrain »I treasure your love« von Meat Loaf und riss sie aus dem Tiefschlaf. Irritiert blinzelte sie in die fast vollkommene Dunkelheit. Nur das Display spendete ein wenig Licht. Sie tastete nach Benjamin, der sich jedoch einfach auf die Seite drehte und weiterschlief. Sie schüttelte ihn sanft und küsste ihn auf den Mund.

»Aufwachen, mein Liebster. Die Schatzsuche beginnt.«

Er stöhnte verschlafen, dann öffnete er die Augen und lächelte sie an.

»Guten Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen? Ich bin schon ganz aufgeregt. Ob wir den Goldschatz der Katharer finden werden?«

»Wir werden es auf jeden Fall versuchen.«

Sylvie kroch zum Zeltausgang und zog den Reißverschluss herunter. Kalte feuchte Luft drang ins Innere. Dann steckte sie den Kopf durch die Öffnung und spähte hinaus. Noch war es stockdunkel, aber der Himmel war klar, und die Sterne begannen schon zu verblassen. Sie verließ das Zelt und kontrollierte mit einer Taschenlampe die Kunststoffplanen. Während des Sturms in der Nacht hatten sie Regenjacken und Gummistiefel übergezogen und das Zelt mit Steinen gesichert. Erfreut stellte sie fest, dass alles noch an Ort und Stelle war.

Anschließend kehrte sie zu Benjamin zurück. Auf einem Gaskocher erhitzten sie Wasser und brühten löslichen Kaffee auf. Dazu gab es eine Tafel Schokolade und für jeden ein Croissant. Danach zogen sie sich an, packten ihre Rucksäcke und verließen das Zelt. Von Silvio, Giovanni und Christophe war nichts zu hören oder zu sehen. Sie schliefen offenbar noch. Gestern Abend hatten sie gemeinsam um das Lagerfeuer gesessen, gesungen und Rotwein getrunken, bis der Regen die Flammen gelöscht hatte und sie sich in ihre Zelte zurückgezogen hatten.

Mit Stirnlampen auf dem Kopf machten sie sich auf den Weg zur nahe gelegenen Burg. Durch ein steinernes Portal betraten sie den Innenhof, den verfallene Mauern mit Schießscharten umgaben. An der Ostseite erhob sich der fast unversehrte, mit Zinnen gekrönte Bergfried in den schwarzblauen Nachthimmel. In die angrenzende Bastei waren zwei Bogenfenster eingelassen.

Außer ihnen befand sich kein Mensch auf dem Burggelände. Das war ihnen sehr recht, sie wollten ungestört sein. Sie setzten sich auf ein Steinpodest, und Benjamin holte das alte ledergebundene Buch aus seinem Rucksack, das sie in einem obskuren kleinen Antiquariat in Paris entdeckt hatten. Feierlich schlug er es auf und las vor, was dort geschrieben stand:

Das Vermächtnis der Katharer

Wenn die Venus als Abendstern am Himmel steht und das hellste Gestirn am Firmament darstellt,

wenn der Silbermond das unberührte Land mit seinem Schein erhellt,

wenn der Westwind den Duft von Myrrhe und Weihrauch herbeiweht,

wenn nach einem Sturm der Himmel klar und hell ist, und die Morgenröte erscheint,

wenn der Monat April sich dem Ende neigt,

wird bei Sonnenaufgang ein gleißender Strahl durch ein Burgenfenster dringen und dir den Weg weisen.

Er wird den Quarz zum Schimmern bringen. Gehe von dort acht Schritte nach Süden und fünf Schritte nach Westen. Dann grabe vier Handbreit in die Tiefe.

An dieser Stelle wirst du den Schatz der Katharer finden!

Sylvie war immer noch etwas skeptisch. Sie studierte Geschichte und kannte sich ganz gut aus.

»Während der Religionskriege, als die Katharer verfolgt wurden, haben sie sich in Burgen in den Corbières verschanzt, nicht hier in Rocamadour.



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