Schade um die Lebenden: Ein Schneeberg-Krimi (German Edition) by Gillespie Jacqueline

Schade um die Lebenden: Ein Schneeberg-Krimi (German Edition) by Gillespie Jacqueline

Autor:Gillespie, Jacqueline [Gillespie, Jacqueline]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-06T05:00:00+00:00


20

Der junge Hubertus von Schwarz hatte in der Kirche das Ave Maria von Schubert gegeben. Ob das seinem Geschmack oder dem Anlass entsprach, konnte Patrick Sandor nicht sagen.

Man bat Müller und ihn zum Leichenschmaus, mit vermeintlichem Bedauern lehnten beide ab. Müller zog es vor, mit Frau Lisi durch umliegende Wälder zu streifen, was er allerdings nicht zugab. Sandor hatte ein Rendezvous in seinem gelben Haus mit den grünen Läden.

„Grünberg“, sagte die kultivierte Stimme. Vor der Türe stand der Herr, der beim Begräbnis in der Kirche neben der Familie Schwarz in der ersten Reihe gesessen war.

Sandor bat ihn weiter ins Grüne, an solch einem Tag im Hause zu sitzen, hielt er für ein Verbrechen. Beide nahmen unter der Markise Platz, Sakko und schwarze Krawatte legten sie ab.

Ein Mann mit gebrochenem Herzen. Er erzählte von einer hinreißenden Charlotte, die er vor einem Jahr bei einem Ausflug nach München kennen und lieben gelernt hatte. Seinen Heiratsantrag hatte sie angenommen, wollte mit ihm Neiselbach und das Herrenhaus verlassen und nach Deutschland zurückkehren. Auch Hubertus sollte mit. Sie war nicht glücklich hier gewesen, seit dem Tod ihres ersten Mannes nicht mehr. Nie war sie heimisch geworden und seit Eduard von Schwarzens unglücklichem Testament war sie in der Familie nur gelitten.

Es war kein Geburtstagsfest, das Charlotte gegeben hatte, vielmehr ein Abschiedsfest, um allem hier, dem Ort, den Leuten, insgeheim Lebewohl zu sagen. Und als Talisman für den Aufbruch in eine fröhliche Zukunft hatte Charlotte das Brautdirndl angelegt. Drei Tage vor dem Fest hatte man still geheiratet. Sie habe kindlichen Gefallen daran gefunden, dass niemand etwas ahnte. Er selbst sei dem Fest ferngeblieben, weil man beim Abschiednehmen nie stören solle. Kommendes Wochenende hätte man alles publik gemacht.

Zitternd holte Herr Grünberg Luft und blinzelte ins Tal. Wind hatte sich erhoben und ließ entferntes Kuhglockengeläute nah erscheinen.

Er selbst sei schuld an ihrem Tod.

Schuld und Sühne waren Sandor nicht fremd, doch den Zusammenhang zu Charlottes Tod konnte er nicht erkennen.

Sie wäre an einer Ohrfeige gestorben, eine Ohrfeige, die sie einem Elenden gegeben habe, seufzte Herr Grünberg auf, und auch an dieser wäre er schuld.

Diese habe vielleicht beim Mordmotiv mitgespielt, auch wenn Herr Bachhuber selbst auf rein politischen Gründen beharre, Herrn Grünbergs Schuld erkläre dies nicht.

„Ich bin Jude“, sagte Grünberg.

„Radfahrer sind sie nicht?“, fragte Sandor.

Stumm schüttelte Herr Grünberg den Kopf, er schien nicht zu verstehen.

„Verstümmelt aus einem alten Film zitiert“, sagte Sandor. „In diesem hieß es, die Juden und die Radfahrer wären schuld. ‚Wieso die Radfahrer?‘, fragte man da. ‚Wieso die Juden?‘, hieß es dann.“

Den Film kannte Herr Grünberg nicht.

Er habe Charlotte zu viel erzählt, von seiner eigenen Familie, von der nach den vierziger Jahren nichts übrig geblieben war. Das hatte sie über die Maßen gerührt, als habe sie vorher niemals davon gehört. Obwohl die Familie von Schwarz doch jüdischen Ursprungs war.

Der Ururgroßvater derer von Schwarz, noch ein simpler Schwarz, stammte aus dem Ghetto in Frankfurt, ebenso wie die Rothschilds, und war von dort hierher ins Tal gezogen. Er hatte mit Manufakturwaren gehandelt, einer seiner Nachfahren hatte später mechanische Webstühle und



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