Saufdruck: In vier Jahren ganz nach unten by Henning Hirsch

Saufdruck: In vier Jahren ganz nach unten by Henning Hirsch

Autor:Henning Hirsch [Hirsch, Henning]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Biografien & Erinnerungen, Belletristik & Literatur, Gegenwartsliteratur, Belletristik, Literatur, Wunschliste, Erinnerungen
ISBN: 9783862652853
Google: 2N5fnAEACAAJ
Herausgeber: Schwarzkopf & Schwarzkopf
veröffentlicht: 2014-12-05T05:00:00+00:00


KOMATÖS

Ich wachte mal wieder auf einer Intensivstation auf. Die Räume erkannte ich inzwischen sofort. Überall blinkte und piepste es. Von diesen Stationen gab es solche und solche. Die einen behandelten uns Trinker freundlich und verabreichten rasch Entzugsmedikamente. Die anderen wiederum ließen einen deutlich spüren, dass sie von Alkis wenig bis überhaupt nichts hielten, und warfen dich auf eine Matratze in einer dunklen Ecke. Da konntest du mutterseelenallein ausnüchtern. Pillen verabreichten die gar keine. Der Rettungswagen transportierte einen halt dorthin, wo gerade ein Bett frei wurde. So ähnelte die Einlieferung häufig einem Lotteriespiel. Wo war ich dieses Mal gelandet? In welchem Krankenhaus? Keine Ahnung. Fürs Erste komplett egal. Ich hatte furchtbaren Durst.

Ich rief nach der Schwester. Wahrscheinlich war meine Stimme zu leise. Niemand kam. Die ersten Entzugserscheinungen stellten sich mit aller Macht ein. Ich zitterte am gesamten Leib. Das Herz raste so, als ob es aus der Brust springen wollte. Mein Körper war von oben bis unten verkabelt und ich hing an Schläuchen. Es half alles nichts. Ich entfernte das Pulsmessgerät von meinem Zeigefinger. Unverzüglich ertönte ein lautes Warnsignal.

Mal schau’n, wie lange es dauert, bis jemand darauf reagiert. Der Satz war noch nicht zu Ende gedacht, als auch schon eine genervt blickende dunkelhaarige Pflegerin neben meinem Bett auftauchte.

»Was ist los, Herr Keller?«, erkundigte sie sich in einem leicht unfreundlichen Tonfall nach meinem aktuellen Zustand. »Sind Sie mittlerweile aufgewacht?«

»Schwester, mir geht es dreckig. Haben Sie Distra?«

»Das gibt’s bei uns nicht. «

Das kaufte ich ihr nicht ab. Was war das für eine Klinik, in der keine Entzugspillen vorrätig waren? Sie log, ohne rot zu werden.

»Was ist mit Diazepam oder irgendeinem anderen Benzo?«, bohrte ich nach.

»Herr Keller, Sie bekommen derzeit gar nichts. Die Ärztin hat keine Medikation in Ihren Behandlungsbogen eingetragen. Zudem haben Sie nach wie vor viel zu viele Promille. Frühestens in ein paar Stunden. « Sie rückte das Namensschild an ihrer linken Brust zurecht, auf dem ich mühsam Vera entziffern konnte.

Machte sie sich über mich lustig? Hatte sie von Entgiftung keinen Schimmer? War das überhaupt eine ausgebildete Krankenschwester? In ein paar Stunden würde ich wahrscheinlich tot sein.

Schöne Aussichten, dachte ich bitter. Und diese dumme Kuh will mir keine Tabletten geben.

»Schwester, was soll ich tun? Ich sterbe sicherlich gleich. « Ich zitterte wie Espenlaub, konnte kaum sprechen.

»Ich empfehle Ihnen, Ihren Rausch erst mal so richtig auszukurieren. Sie hatten bei Ihrer Ankunft knapp sechs Promille. Da wird noch ordentlich Alkohol in Ihrer Blutbahn drin sein. Das braucht seine Zeit, bis das alles wieder draußen ist. « Sie kontrollierte kurz die Funktionsfähigkeit der Infusionsflasche, klemmte mir den Puls-Clip an den Finger und ließ mich alleine im Zimmer zurück.

An Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Ich war absolut wach. Sechs Promille. Das ist viel, ging es mir durch den Kopf. Wo kamen die her? Was und vor allem wie lange hatte ich getrunken? Ich konnte mich an nichts erinnern. Mir brach der Schweiß aus. Mein Puls spielte verrückt. Es war schlichtweg nicht auszuhalten. Ich drückte wie wild auf den Alarmknopf. Wo waren die bloß alle? Wahrscheinlich Übergabe.



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