Rupert undercover - Ostfriesische Mission (German Edition) by Wolf Klaus-Peter

Rupert undercover - Ostfriesische Mission (German Edition) by Wolf Klaus-Peter

Autor:Wolf, Klaus-Peter [Wolf, Klaus-Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2020-06-17T16:00:00+00:00


Frederico Müller-Gonzáles wurde inzwischen in der JVA Lingen nur noch Der große Schweiger genannt. Jane, die für ihn zuständig war, gehörte in Wirklichkeit zu Liane Brenneckes Team. Sie sollte sein Vertrauen gewinnen und ihn zu Aussagen motivieren. Für die anderen JVA -Beamten war Frederico Müller-Gonzáles in einer spektakulären Befreiungsaktion geflohen.

Jane tat sicherlich viel mehr, als ihr katholischer Verlobter akzeptiert hätte, doch sie hatte das frustrierende Gefühl, nicht wirklich an Frederico heranzukommen. Auch ihr gegenüber war Schweigen seine Lieblingsbeschäftigung. Doch OKI fand einen Zugang zu ihm. Er ließ sich tatsächlich von OKI malen. Er nahm dafür keine besondere Pose ein. Ließ sich nicht sagen: »Mach so und tu das …«

So weit ging es nicht. Er war längst nicht so entgegenkommend wie andere Modelle, aber er saß still und ließ sich malen. Er interessierte sich auch sehr für das Ergebnis.

Jane hatte gebeten, bei der Sitzung dabei sein zu dürfen, und mit ihnen Butterkekse gemampft und Kaffee aus Bechern getrunken.

Sie protestierten nicht gegen ihre Anwesenheit. Sie beachteten sie kaum.

Sie tat so, als ob sie sich für OKI s Malerei interessieren würde. Er erklärte sich sogar bereit, ihr Zeichenunterricht zu geben. Im Gegenzug verlangte er Freigang zur nächsten documenta . Sie diskutierten die Frage, während OKI Frederico malte.

Jane zögerte. Sie sagte, sie wisse nicht, ob so etwas genehmigt werden würde, fände die Idee aber gut und würde ihn auch gerne begleiten.

Plötzlich, ganz ruhig, als würde ein lang geführtes Gespräch nur fortgesetzt werden, brach Frederico sein Schweigen. Er sagte: »Zur RAF -Zeit, als die Terroristenjagd auf dem Höhepunkt war – ich glaube, es war die fünfte documenta –, da hat Joseph Beuys gesagt, er sei bereit, Ulrike Meinhof und Andreas Baader persönlich über die documenta zu führen.«

Frederico lächelte in die erstaunten Gesichter. OKI kannte die Geschichte, Jane nicht. Sie fragte: »Waren Sie dabei?«

»Anfang der Siebziger? Leider nein. Aber Tafeln mit der Aufschrift stecken in Filzpantoffeln mit Butter oder Fett drin. Das ist noch heute ein bedeutendes Dokument der Geschichte der documenta .«

Jane hatte ein großes Interesse daran, den Redefluss von Frederico nicht wieder versiegen zu lassen. Sie begriff, dass sie über die Kunst einen Zugang zu ihm finden konnte. Und zwar viel besser als über ihren Minirock.

»Hatte Beuys Sympathien für die Terroristen?«, fragte sie.

OKI und Frederico schüttelten gleichzeitig den Kopf. »Er glaubte nur«, sagte Frederico, »dass die Kunst den Menschen verändern könne.«

»Der Herr Professor wollte sie«, betonte OKI mit erhobenem Zeigefinger, aber nicht ohne Spott in der Stimme, »resozialisieren. Nicht nur Meinhof und Baader, sondern uns alle. Die ganze Gesellschaft.«

Frederico nahm einen Schluck Kaffee, und Jane konnte ihm ansehen, dass er wieder in sich versank. Zum großen Schweiger wurde.

OKI hatte Frederico zunächst gemalt, als würde er in die Luft springen. Jetzt zauberte er ausgebreitete Flügel auf seinen Rücken, die zerzaust aussahen, wie bei einem zur Hälfte gerupften Huhn. So wurde aus Frederico ein Engel, der zwar fliegen konnte, doch der Betrachter fürchtete, er könne jeden Moment abstürzen, weil er so viele Federn verloren hatte.

OKI wiegte den Kopf hin und her. Er hatte noch etwas auf Lager.



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