Robert Langdon Bd. 4 - Inferno by Dan Brown

Robert Langdon Bd. 4 - Inferno by Dan Brown

Autor:Dan Brown
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2013-04-14T22:00:00+00:00


KAPITEL 55

Der Legende nach ist es unmöglich, beim Betreten des Battistero di San Giovanni nicht nach oben zu sehen. Und obwohl Langdon schon viele Male hier gewesen war, wanderte sein Blick auch diesmal wieder unwillkürlich zur Decke.

Die hohe Gewölbedecke überspannte einen oktogonalen Raum von sechsundzwanzig Metern Durchmesser. Die polierte goldgelbe Oberfläche bestand aus mehr als einer Million kleiner Smalti: winzigen Mosaiksteinchen, die aus glasierten Fliesen geschnitten waren und das Licht in prachtvoller Weise reflektierten. Die Mosaike waren in sechs konzentrischen Ringen angeordnet und zeigten Szenen aus der Bibel.

Die Atmosphäre der prunkvollen Decke wurde auf dramatische Weise verstärkt durch das Tageslicht, das durch einen zentralen Oculus ins Innere drang – ähnlich dem römischen Pantheon. Zudem wurde der Raum durch eine Reihe kleinerer Fenster erhellt, die tief in der Wand lagen. Durch sie fiel das Licht in so dicht gebündelten Strahlen ein, dass diese fast wie massive Balken wirkten, die in sich ständig verändernden Winkeln die Wände stützten.

Während Langdon mit Sienna tiefer in den Raum vordrang, ließ er das legendäre Deckenmosaik auf sich wirken, eine vielschichtige Darstellung von Himmel und Hölle, die an Dantes Göttliche Komödie erinnerte.

Schon Dante Alighieri hat diese Decke gesehen, als er noch ein Kind war, sinnierte Langdon. Inspiration von oben.

Er betrachtete das zentrale Bild des Mosaiks. Über dem Hauptaltar erhob sich ein neun Meter hoher Jesus Christus, der über die Menschen zu Gericht saß. Zu seiner Rechten wurden die Gottesfürchtigen mit dem ewigen Leben belohnt. Zu seiner Linken wurden Sünder gesteinigt, an Spießen geröstet oder von abscheulichen Kreaturen verschlungen.

Beaufsichtigt wurden die Misshandlungen von einem kolossalen Satan, dargestellt als menschenfressende Bestie. Langdon verzog jedes Mal das Gesicht, wenn er die Gestalt betrachtete, die schon vor mehr als siebenhundert Jahren auf den jungen Dante Alighieri heruntergestarrt hatte. Vermutlich hatte sie auch ihn in Angst versetzt und zu der lebhaften Darstellung dessen inspiriert, was im letzten Höllenkreis lauerte.

Das furchterregende Mosaik zeigte einen gehörnten Teufel, der einen Menschen mit dem Kopf voran fraß. Die Beine des Opfers baumelten auf eine Weise aus Satans Maul, die an die halb begrabenen Sünder in Dantes Malebolge erinnerte.

Lo ’mperador del doloroso regno, rief sich Langdon Dantes Schilderung ins Gedächtnis. Der Herrscher des Reichs der Schmerzen.

Aus den Ohren des Teufels wanden sich zwei mächtige Schlangen, und in ihren Schlünden steckten ebenfalls Sünder, was insgesamt den Eindruck eines dreiköpfigen Teufels erweckte – genau wie Dante ihn im letzten Canto von Inferno beschrieb. Langdon kramte in seinem Gedächtnis nach Fragmenten von Dantes Bildersprache.

Mit drei Gesichtern sah ich ihn erschein’ … die auf drei Kinn’ in blut’gem Geifer flossen … und arme Sünder malmt entzwei … Flachsbrechen gleich, der scharfen Zähne drei.

Das dreifaltige Böse Satans besaß tiefe symbolische Bedeutung – es war das perfekt ausbalancierte Gegenstück zur Glorie der Heiligen Dreifaltigkeit.

Langdon versuchte sich auszumalen, welche Wirkung die angsteinflößende Darstellung auf den jungen Dante gehabt haben mochte, der einmal im Jahr am Tag seiner Taufe hergekommen und von Satan beim Beten beobachtet worden war.

An diesem Morgen beschlich Langdon das entnervende Gefühl, dass er selbst es war, auf den der Teufel diesmal starrte.



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