Riley 07 - Beton Rouge by Buchholz Simone

Riley 07 - Beton Rouge by Buchholz Simone

Autor:Buchholz, Simone [Buchholz, Simone ]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2016-12-31T16:00:00+00:00


AM ARSCH DIE TOSKANA

Der Ortseingang ist mit geschnitzten Holzschildern dekoriert. Auf den Schildern steht, dass das hier die »fränkische Toskana« ist, was einem sehr schlechten Witz schon ziemlich nahekommt. In der Toskana wären Menschen auf den Straßen und den Plätzen, sie würden sich unterhalten, sie würden lachen, sie wären lebendig. In Biesendorf ist nichts, aber auch gar nichts wie in der Toskana, außer vielleicht, dass das Kaff inmitten einer hügeligen Landschaft liegt. Und, okay, an den Hängen wächst Wein.

Aber ich habe noch nie in meinem Leben so viele Rollläden gesehen. Die Rollläden sind zum größten Teil runtergelassen. Mitten am Tag.

Stepanovic parkt den Mercedes hinter einer Art Dorfplatz. In der Mitte steht ein schöner alter Brunnen, frisch renoviert, mit einer goldenen Heiligenfigur obendrauf, aber es fließt kein Wasser. Als wäre der Brunnen nur eine Attrappe. Auf der anderen Straßenseite steht ein Gasthaus, das Gasthaus heißt Zum letzten Hieb.

Wir steigen aus.

»Wenn das hier das einzige Restaurant ist«, sage ich, »dann esse ich nichts.«

»Ich schieße Ihnen ein Wildschwein«, sagt Stepanovic und schließt das Auto ab. »Aber erst gehen wir mal ein bisschen spazieren.«

Ich schaue nach links zu einem Haus, vor dessen Fenstern zur Abwechslung mal keine rollbare Mauer runtergelassen ist. Der Vorhang bewegt sich. Und dann bewegt er sich ganz schnell nicht mehr. Wir gehen die sich durch den Ort schlängelnde Hauptstraße entlang. Menschen kriegen wir nur ein paar zu Gesicht, und die sitzen in Autos. Keiner geht zu Fuß. Wir kommen an zwei Metzgereien vorbei, die Leberkäs-Burger, Hawaii-Burger und Lasagne anbieten. An drei Friseurgeschäften, die nur Männern die Haare schneiden. An mindestens sechs Imbissbuden. Es gibt Döner, Currywurst, Asianudeln. Die Wohnhäuser an der Hauptstraße wirken verlassen, manche haben keine Klingelschilder mehr, manche haben erstaunlicherweise dann doch welche.

Über der Straße schwirren Mücken, es ist schwül.

Am Ende der Straße steht ein Supermarkt, am Eingang klebt ein riesiges Plakat: »Samstag! Feierliche Eröffnung des neuen Supermarkt-Parkplatzes! Mit Sekt und dem Bürgermeister!«

Stepanovic bleibt vor dem Plakat stehen.

»Können wir bis Samstag bleiben?«

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Mann sich auch aus der letzten Karre Mist noch einen Spaß macht.

»Es ist furchtbar hier«, sage ich.

»Also, hören Sie mal, das ist die fränkische Toskana.«

»Am Arsch die Toskana.«

Wir setzen uns auf eine Bank und rauchen.

»Doch nicht so gemütlich mit Ihnen, Riley. Sie wollen ja nicht mal gemeinsam mit dem Bürgermeister den neuen Supermarkt-Parkplatz begießen.«

»Ich hab gesagt, dass ich auch anders kann. Wo ist denn jetzt eigentlich dieses blöde Internat?«

Er deutet mit seiner Zigarette auf einen bewaldeten Hügel am anderen Ende der Hauptstraße.

»Irgendwo da oben. Wir werden übrigens beobachtet.«

Stimmt. Hinter den wenigen Fenstern in unserer Nähe, die nicht verrammelt sind, bewegen sich die Gardinen wieder auf diese huschige Art.

Ich schmeiße demonstrativ meine Zigarette auf den Gehweg. Bin sowas von ungemütlich.



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