Reni by Lise Gast

Reni by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-05T00:00:00+00:00


rief er und winkte zum Abschied.

„Nein, weiter, weiter!“ rief es von draußen. Hinter dem Theater drehte sich Reni erhitzt um.

„Spiel du doch noch was, Christian“, bat sie. Christian sah den Kasper an, den sie in der Hand hatte.

„Gib her!“ sagte er entschlossen und fuhr mit der Hand in das bunte Röckchen. Und dann erschien der Kasper wieder vor dem Vorhang.

Diesmal war es kein „Stück“, was gegeben wurde. Der Kasper begann, die Kinder einzeln anzureden. Reni hörte es und dachte zuerst: ‚Damit wird er kein Glück haben‘. Er hatte aber doch welches. Schließlich war es mucksmäuschenstill ringsum, und auch sie hielt den Atem an.

Es war erstaunlich und kaum zu glauben, wie gut Christian die einzelnen Kinder kannte. Es waren über siebzig da im Augenblick. Natürlich rief er nicht alle einzeln bei Namen, aber viele. Sie mußten dann vorkommen, ihn begrüßen, und er sagte ihnen verschiedene Dinge, angenehme und unangenehme. So bekam der arme Klaus im Gehgips ein paar tröstende Worte für seinen Fuß, den er „aus lauter Jux und Dollerei“ gebrochen habe, ein Hans-Udo, der immer am Essen etwas auszusetzen hatte, wurde aufgefordert, schnell einen Vortrag über das Schlaraffenland zu halten — — „denn da hast du doch bis jetzt gewohnt, weil es dir hier nicht schmeckt. Erzähl mal, fließt dort wirklich Coca-Cola in den Bächen? Und wächst Langnese-Eis am Stiel an den Sträuchern? Freilich, da kann es dir im Heim am Berg gar nicht gefallen.“

Die Kinder jubelten. Christian ließ den Kasper aber beileibe nicht beleidigend werden, sondern nur die Kinder necken und aufziehen. Sie drängten sich immer näher heran. Reni stemmte sich innen gegen das Theater, damit es nicht etwa umfiele.

„Und da kommt ja Erika! Unsere kleine schwarzhaarige Schönheit!“ hörte sie eben über sich flöten. „Nein, aber Erika, nun komm und gib mir mal die Hand! Wie ist es denn ohne Zöpfe? Schön? Ich möchte auch einen Bubikopf!“

Reni hörte die Zuschauer lachen. Erika antwortete etwas, was sie nicht verstand.

„Weißt du, daß ich immerfort auf dich gewartet habe, Erika?“ fuhr der Kasper jetzt fort. „Jaja, auf dich. Weil du so schön telefonieren kannst! Tu es nur nicht so oft!“

Reni mußte lachen. Erika hatte eine geradezu panische Angst vor dem Telefon und drückte sich, wo sie konnte, ein Gespräch anzunehmen oder etwas auszurichten.

„Aber ich liebe dich trotzdem, du kleine Quasselstrippe“, sagte der Kasper jetzt zärtlich, „und ich werde sehr, sehr traurig sein, wenn du einmal von uns fortgehst.“

„Ich auch, Kasper“, sagte Erika halblaut. Reni hörte es durch die Leinwand des Theaters hindurch, und sie hörte auch, daß Erika ganz ernst sprach. „Am liebsten bliebe ich immer bei euch.“

„Da könnte jeder kommen!“ tadelte der Kasper laut, sodaß alle Zuschauer es hörten und Beifall klatschten. Leise aber fügte er hinzu: „Das weiß ich, Erika. Und wir behielten dich so gern!“

Reni fühlte, wie irgend etwas in diesen Worten ihr quer in die Kehle kam. Sie taten nicht weh — das wäre zuviel gesagt —, sie ärgerten sie auch nicht direkt. Es war so dazwischen, was sie fühlte; nicht wie eine Ohrfeige, auch nicht wie ein Knuff in den Rücken.



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