Reliquiem - ein Krimi aus dem Mittelalter by emons Verlag

Reliquiem - ein Krimi aus dem Mittelalter by emons Verlag

Autor:emons Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
ISBN: 9783863581701
Herausgeber: emons Verlag
veröffentlicht: 2014-04-22T04:00:00+00:00


Karsamstag, 4. April 1181

Als der von einem Maulesel gezogene Karren um die Ecke des Kirchenbaus bog und auf das geschlossene Tor zurollte, schüttelten die beiden durchgefrorenen Wachposten den Kopf. Kaum war der Tag angebrochen, versuchten die Stiftsbewohner offenbar aufs Neue, die Immunität zu verlassen.

»Und ich hatte gehofft, sie hätten es gestern schon alle verstanden«, sagte der Kleinere von beiden. »Aber da können die Schwestern noch so fein sein, wenn ihnen die Angst im Nacken sitzt, sind sie nicht anders als unsereins auch.«

»Kümmere du dich drum«, erwiderte sein Kamerad, während er sich in die vor Kälte steifen Hände pustete. »Ich habe mein Sprüchlein gestern oft genug aufgesagt.«

»Faulpelz«, knurrte der Kleine und trat vor, denn der Karren war bereits fast am Tor angekommen. »Haaalt«, rief er zum Fuhrmann hoch. Auf dem Bock saßen ein junger Mann, eine junge Frau und zwischen ihnen ein schwarzer Hund. Nun erst bemerkte der Wachmann, dass gar keine Schwestern mit dem Karren unterwegs waren, sondern Bedienstete des Stifts. »Macht kehrt. Noch immer gilt der Befehl des Erzbischofs, dass niemand die Immunität betreten oder verlassen darf.«

»Ich weiß«, sagte Jaspar. »Lasst uns trotzdem hinaus, denn wir befolgen nur einen Befehl, den der Erzbischof unserer Äbtissin gegeben hat. Wir sollen die Leiche der ehrwürdigen Schwester Mabilia aus dem Schindanger holen.«

»Ach ja, ich habe davon gehört.« Misstrauisch beugte sich der Mann zur Seite, um sich den Karren anzusehen. Mit seinem Spieß schlug er gegen die geschlossenen Wände der Ladefläche. Dann wippte er auf die Zehenspitzen, um sich das Innere des Gespanns anzusehen. Entlang der Seitenwände waren zwei lange hölzerne Sitzbänke angebracht, unter denen einige Säcke und Werkzeug lagen. »Aber weshalb braucht ihr dafür einen so riesigen Wagen?«

»Es muss ja nicht gleich jeder sehen, dass wir eine Leiche umherfahren.«

»Das leuchtet ein«, sagte der Wachmann und trat einen Schritt zurück, um den Weg freizumachen. »Aber passt auf Euren Köter auf, dass er nicht den Hundeschlägern in die Hände gerät. Das könnte ihm nicht gut bekommen.«

Die beiden Männer lachten über diesen Spruch, als hätten sie seit Wochen keinen besseren Witz gehört. Jaspar verzog das Gesicht. Nachdem das Lachen verebbt war, spuckte der Kleinere aus und nickte seinem Kameraden zu. Dieser stieß die beiden Flügel des Tores auf, um den Wagen passieren zu lassen. Jaspar schnalzte mit der Zunge und ließ die Zügel knallen. Gemächlich nahm der Maulesel den Schritt auf.

Erst eine Abzweigung weiter wagte Jaspar es, sich umzudrehen.

»Und?«, fragte Klara leise.

»Die Luft ist rein«, gab er erleichtert zurück. Und über die Schulter sagte er: »Ihr könnt rauskommen.«

Die Decken unter den Sitzbrettern auf beiden Seiten wurden weggeschoben. Albertus und Imbert krochen hervor und setzten sich auf die Bänke.

»Ich schwöre bei Gott unserem Herrn und allen seinen Heiligen«, meckerte Albertus und rieb sich die schmerzenden Beine, »das war das letzte Mal, dass ich Euch bei Euren seltsamen Einfällen zur Hand gehe. Das allerletzte Mal.«

Imbert sog tief die frische Morgenluft ein und betrachtete zufrieden die langsam vorbeiziehenden Häuser, deren Dächer sich unter der Schneelast beugten. »Mit ein klein wenig Glück, lieber Albertus, wird dies wirklich das letzte Mal sein, dass ich Eure Hilfsbereitschaft in Anspruch nehme.



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