Raum in der Herberge by Klose Elisabeth

Raum in der Herberge by Klose Elisabeth

Autor:Klose, Elisabeth [Klose, Elisabeth]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Kurz vor Ende meiner Dienstzeit in Molinaseca traf meine Nachfolgerin ein, Simone aus Brasilien, sehr jung, sehr fröhlich, mit ihr hielt der Samba Einzug in die Albergue. An mir nagte der Abschiedsschmerz. Noch zwei Tage und Nächte und ich würde diesen hübschen kleinen Ort verlassen, in dem ich mich — trotz Schlafdefizit und mangelnder Privatsphäre — ungeheuer wohl und glücklich gefühlt hatte. „Richtig schade, dass ich bald wegfahre“, sagte ich zu Alfredo. „Ach, weißt du, ich mache das jetzt schon so viele Jahre, habe zahllose Hospitaleros und Hospitaleras kommen und gehen sehen“, entgegnete er, „da weiß ich, dass vierzehn Tage eine gute Zeit ist für den Wechsel.“

Das hatte ich jetzt eigentlich nicht von ihm hören wollen. „Was mache ich nur ohne dich?“, sagte Simone dafür. Ich hatte sie eingewiesen und ihr alles erklärt; gemeinsam hatten wir noch mal sämtliche Laken abgezogen, gewaschen und sonnengetrocknet wieder aufgezogen. Ich konnte getrost abreisen, die Herberge war auf Vordermann gebracht. Typisch cabeza cuadrada, dachte ich, amüsiert über mich selbst.

Den Tag, bevor ich wegfuhr, hatte ich quasi frei. Gleich nach Aufbruch der Pilger brachten wir zu dritt die Herberge rasch in Ordnung, dann fuhr Alfredo mit Simone und mir die Passstraße hinauf nach Rabanal del Camino, einem Gebirgsdorf, das schon seit Jahrhunderten ein wichtiges Etappenziel am Jakobsweg ist.

Es war ein herrlicher Tag mit strahlendem Sonnenschein. „Fast wie im Hochsommer“, meinte Alfredo, während er gemächlich den Wagen durch die Kurven lenkte. „Im Sommer, wenn es in der Herberge wie auf dem Jahrmarkt zugeht, wenn ich die Pilger alle irgendwann nicht mehr sehen kann, komme ich öfters hier herauf, fahre in einen Feldweg rein, stelle den Wagen ab und bleib drin sitzen und höre ganz laut südamerikanische Musik — und dann wird’s wieder.“

„Wie? Auch du kannst Pilger irgendwann nicht mehr sehen?“, staunte ich. „Und ich hab gemeint, bloß ich könnte sie gelegentlich alle an die Wand klatschen.“

Alfredo lachte herzlich. „Aber wo denkst du hin? Kein Mensch kann immer und in jeder Situation Engelsgeduld haben.“ In Rabanal gingen wir in die „Posada“, einem sehr stilvoll in einem alten Haus eingerichteten Hotel-Restaurant, das Alfredos Freund Gaspar gehörte. Der ließ es sich nicht nehmen, uns ein üppiges Frühstück mit allen erdenklichen Köstlichkeiten zu servieren. Alfredos Versuche, dafür zu bezahlen, tat Gaspar mit einer energischen Handbewegung ab. „Lass mir doch die Freude, euch einzuladen. Schließlich ist es, wie du gesagt hast, Elisabeths letzter Tag.“ Er schenkte mir ein zurückhaltendes Lächeln. „Ich habe sie neulich bei dir in der Herberge arbeiten sehen — sehr tüchtig. So jemanden hätte ich gerne, wenn ich mal eine Pilgerherberge aufmache.“ Nach dem Frühstück fuhren wir zurück Richtung Molina und bei den Ruinen von Foncebadón ließ Alfredo mich aussteigen. Ich trug dick Sonnencreme auf, schulterte meinen kleinen Rucksack und marschierte los — zwanzig wundervolle Kilometer Camino lagen vor mir, einer der schönsten und eindrucksvollsten Abschnitte des Jakobsweges.

Foncebadón war einmal ein wichtiger Ort an der Wallfahrtsroute gewesen mit Herberge, Kloster und Kirche, aber das ist sehr lange her. Inzwischen sind die meisten Häuser längst zerfallen, nur einige wenige noch bewohnt.



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