Rassenwahn by Jörg Gustmann

Rassenwahn by Jörg Gustmann

Autor:Jörg Gustmann [Gustmann, Jörg]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Gmeiner Verlag
veröffentlicht: 2012-07-08T22:00:00+00:00


Nachdem die Rechnung für das Mittagessen beglichen war, schob Martin den Schlüssel des Wagens über den Tisch. »Hier, fahr du.« Werner wusste, was Martin meinte, nämlich, sich nie wieder nach Alkoholgenuss ans Steuer eines Wagens zu setzen.

Kapitel 37

Hamburg, 10. November 2010

Werner machte es sich in dem eleganten Wagen bequem, stellte den Sitz für seine Körpergröße ein, veränderte die Position des Innenspiegels und gab ein paar Daten in das Navigationsgerät ein. Sie machten sich auf den Weg zu Alois Feldmann, dem Priester im Ruhestand.

»Nette Karre«, schnalzte Werner anerkennend. »Wird circa 45 Minuten dauern. Winsen an der Luhe. Erst raus aus der Stadt und auf die Bahn ins Grüne.«

»Gut«, meinte Martin und ließ seine Sitzlehne nach hinten gleiten, bis er in angenehmer Haltung abschalten, verdauen und nachdenken konnte. Er schloss die Augen, blieb jedoch hellwach. Zeit zum Schlafen konnte er sich nehmen, wenn der Fall gelöst war. Bis dahin galt es, jede Minute, die zur Verfügung stand, effektiv auszunutzen.

Martin hatte sich das Dossier zu Alois Feldmann an den Abenden zuvor eingehend angesehen und wusste nicht, was er von diesem Mann halten sollte. Er kannte seine, wie es schien, unauffällige Vita und konnte sich aufgrund zahlreicher Seiten im Internet ein umfangreiches Bild von ihm machen. Und doch wusste Martin nicht, wer oder was ihn erwarten würde. Nach dem, was Werner ihm über Feldmann erzählt hatte, gab es an dem Mann weder Ecken noch Kanten. Bis vor ein paar Jahren hatte Feldmann Einkehrtage in einem Kloster geleitet und zu allen Fragen der Lebensführung Kurse und Seminare abgehalten. In einer Zeit, in der es für alles und jedes Ratgeber zu kaufen und im Internet herunterzuladen gab, hatte sich auch Feldmann dort eingereiht. Für die simpelsten Dinge im Leben schien es mittlerweile Hilfestellungen in gedruckter oder gesprochener Form zu geben, dass man sich fragte, wie man es vor 20 Jahren überhaupt geschafft hatte zu überleben.

Martin hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hielt die Augen geschlossen. Werner sprach ihn nicht an und dachte ebenfalls über die Lösung des Falles nach, sofern ihm die Dame, die ihn lotste, die Zeit dafür ließ. In der rechten Innentasche seiner Jacke fühlte er den Flyer, den schon vor zwei Tagen ausgedruckt hatte. Die Seminarthemen trieben Martin, wenn er sie las, die Zornesröte ins Gesicht. Er kam nicht dahinter, woran dies lag. Vielleicht, weil ein Vertreter einer der großen Konfessionen diese Vorträge gehalten hatte, oder lag es an den Themen selbst, die ihn aufregten. Er war evangelisch getauft und gottlos in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem das einzig Anzubetende der Kontostand am Monatsende war. Martin hielt es für das Beste, vor seiner Abreise nach Ecuador die kirchlichen Brücken, die er eh nie begangen hatte, abzureißen. Es war eine reine Formsache, aus der Kirche auszutreten, und die Dame, die seinerzeit das Formular mit stoischer Gelassenheit entgegennahm, schien keinerlei Bemühungen an den Tag legen zu wollen, ein verlorenes Schaf zur Umkehr zu bewegen. Nach diesem Schritt fühlte er sich nicht schlechter als vorher, nicht verlorener, schuldiger oder sündiger. Er hatte eine Institution



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