P.S. Morgen bist du tot: Thriller (German Edition) by Kurian Vera

P.S. Morgen bist du tot: Thriller (German Edition) by Kurian Vera

Autor:Kurian, Vera [Kurian, Vera]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2022-06-24T00:00:00+00:00


DREIUNDDREIßIG

»Pst«, zischte Chloe. »Du siehst verdächtig aus.«

Unschuldig hielt Andre beide Hände in die Höhe. Sie gingen auf der belebten Siebten den Gehweg entlang, zusammen mit zahllosen anderen Leuten, und sahen wie x-beliebige abgelenkte Studenten aus – Chloe von ihrem Handy, Andre von der Kamera, die er sich umgehängt hatte. Einen ganzen Block vor ihnen war Leonard Wyman in einem langen schwarzen Mantel und mit einer Aktentasche. Andres Observierungsidee hatte, bisher zumindest, nichts ergeben, ebenso wenig wie Chloes neue Freundschaft mit einem der Forschungsassistenten in dem Programm. Ermitteln brauchte Zeit, doch Chloe war ungeduldig. Andre hatte ihr nur widerwillig zugestimmt, Wyman nach der Arbeit zu folgen; er müsste sich nur umdrehen, dann würde er sie entdecken.

»Er textet – ich glaube, er will jemanden treffen«, sagte Andre.

Chloe rammte ihm ihren Ellbogen in die Seite – Wyman war abrupt langsamer geworden und sah verwirrt zu einer Restauranttür. Andre blieb dicht neben Chloe, gab vor, seine Kamera einzustellen, und betete, dass der Mann sich nicht umdrehte. Charles hatte nie gesagt, ob es irgendwelche Folgen gehabt hatte, als er Wyman nach Hause gefolgt war. »Er hat die Restaurants verwechselt. Sieh mal, er geht in das andere«, sagte Chloe, die sich zu ihm drehte und ihn streng ansah. »Warte eine Minute, dann gehst du rein und machst ein Foto von ihm und der Person, mit der er dort ist.«

»Was? Dann sieht er mich!«

»Denk dir einen Vorwand aus! Ich knipse sie von draußen durchs Fenster.« Es war zu spät, sich zu weigern – sie verstand nicht, dass er nicht so gut Ausreden erfinden konnte wie sie und dass er aus logischen Gründen Angst hatte. Das war eine Weinbar, in der Käse und Charcuterie angeboten wurde und Andre komplett fehl am Platze wäre – ganz abgesehen davon, dass er zu jung war. Grundsätzlich waren solche Läden nicht für Leute wie ihn gedacht. Trotzdem war er dort, stand allein in der Weinbar und war sich allzu bewusst, dass sich Wyman gleich links von ihm befand, zum Glück mit dem Rücken zu ihm. Andre bewegte sich auf die Bar zu. Der Barkeeper erklärte einem Paar am anderen Ende der Bar irgendwas sehr ausführlich.

Wyman gegenüber saß ein Mädchen. Andres Herz schlug sehr schnell. Er versuchte, sie unauffällig zu mustern. Sie war im College-Alter, hatte farbloses Haar, ein unscheinbares Gesicht und trug Jeans und einen hellen Sweater, dessen Farbe befremdlich nahe an ihrem Hautton war. Sie hatte die Hände um einen Becher geschlungen und war ganz auf Wyman konzentriert, der redete. Wer war sie? Eine seiner Examensstudentinnen?

Andre hielt die Weinkarte in einer Hand und tat, als würde er sie studieren, während er sich abmühte, seine Kamera einzuschalten. Leute machten Fotos von Karten, oder nicht? Er musste schnell sein, bevor es irgendwer mitbekam. Er zoomte auf das Mädchen und entschied sich für ein kurzes Video anstelle von Fotos. Und er fragte sich, ob er nahe genug herankommen könnte, um zu hören, was sie sagten.

»Darf ich Ihnen eine Kostprobe von etwas bringen?«

Andre zuckte zusammen. Der Barkeeper, ganz in Schwarz, stand auf einmal direkt vor ihm und lächelte.



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