Portrat in Sepia by Isabel Allende

Portrat in Sepia by Isabel Allende

Autor:Isabel Allende [Allende, Isabel]
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
veröffentlicht: 2012-04-20T17:00:44+00:00


Dritter Teil

1886-1910

Die Hobbs-Klinik wurde von dem berühmten Chirurgen Ebanizer Hobbs gegründet, und zwar in seinem eigenen Wohnhaus, einem großen soliden, untadeligen Bau mitten in Kensington, in dem er Wände herausreißen, Fenster zumauern und Fliesen legen ließ, bis es aussah wie eine Vogelscheuche. Der Anblick in dieser eleganten Straße ärgerte die Nachbarn so sehr, daß Hobbs’ Nachfolger keine Schwierigkeiten hatten, die angrenzenden Häuser aufzukaufen, um die Klinik zu vergrößern, aber die behielten ihre Fassaden bei, so daß sie sich in nichts von den gleichförmig in edwardianischem Stil errichteten Häuserreihen des ganzen Blocks unterschieden. Innen war die Klinik ein Labyrinth aus Zimmern, Treppen, Gängen und Luken, die nirgendhin führten. Es gab nicht wie in den alten Krankenhäusern der Stadt das typische chirurgische Amphitheater, das aussah wie eine Stierkampfarena eine Manege in der Mitte, mit Sägespänen oder Sand bedeckt und von Galerien für Zuschauer umgeben -, sondern kleine Operationssäle, die Wände, Decken und Fußböden mit Fliesen und Metallplatten verkleidet und ausgelegt, die täglich mit Seifenlauge geschrubbt wurden, denn der verstorbene Doktor Hobbs war einer der ersten gewesen, die sich Kochs Theorie von der Verbreitung von Infektionen und Listers Asepsis-Methoden zueigen gemacht hatten - der größte Teil der Ärzteschaft lehnte beides noch aus Arroganz oder aus Trägheit ab. Es war unbequem, mit den alten Gewohnheiten zu brechen, Hygiene war eine langweilige, komplizierte Sache und störte das schnelle Operationstempo, das einen guten Chirurgen kennzeichnet, weil es die Gefahr eines Schocks oder hohen Blutverlusts verringert. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, für die Infektionen spontan im Körper des Kranken entstanden, begriff Ebanizer Hobbs sofort, daß die Keime von außerhalb kamen, von den Händen, dem Fußboden, den Instrumenten und der ganzen Umgebung, weshalb er mit einem Phenolregen alles besprengte, von der Schnittwunde bis zur Luft im Operationssaal. Soviel Phenol sprühte der Arme ständig um sich herum, daß seine Haut schließlich mit schwärenden Wunden bedeckt war und er frühzeitig einem Nierenleiden erlag, was seine Verleumder ermunterte, auf ihren eigenen antiquierten Vorstellungen zu beharren. Hobbs’ Schüler jedoch analysierten die Luft und entdeckten, daß die Keime nicht wie unsichtbare Raubvögel umherflogen, bereit zu hinterlistigem Angriff, sondern daß sie sich auf schmutzigen Oberflächen ansammelten; die Ansteckung erfolgte durch direkten Kontakt, also war es von grundlegender Wichtigkeit, die Instrumente sorgfältig zu reinigen, sterilisierte Binden zu verwenden, und die Chirurgen mußten sich nicht nur waschen wie besessen, sondern wenn irgend möglich Gummihandschuhe tragen. Aber natürlich waren das nicht die groben Handschuhe, wie sie die Anatomen beim Sezieren von Leichen trugen oder Fabrikarbeiter, die mit chemischen Substanzen umzugehen hatten, o nein, es war ein Fabrikat so zart und weich wie die menschliche Haut, das in den Vereinigten Staaten hergestellt wurde. Seine Entstehung war romantischer Natur: Ein Arzt, der in eine Krankenschwester verliebt war, wollte sie vor den durch Desinfektionsmittel entstehenden Ekzemen schützen und ließ die ersten Gummihandschuhe herstellen, die später von den Chirurgen zum Operieren übernommen wurden. All das hatte Paulina del Valle aufmerksam in medizinischen Zeitschriften gelesen, die ihr Cousin Don José Francisco Vergara ihr geliehen hatte; er war inzwischen herzkrank geworden und



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