Plötzlicher Reichtum by Fischer Marie Louise

Plötzlicher Reichtum by Fischer Marie Louise

Autor:Fischer, Marie Louise [Fischer, Marie Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-31T00:00:00+00:00


»Sie müssen das verstehen. Die Stabilisatoren verbrauchen ungeheure Mengen Treibstoff. Außerdem verlangsamen sie die Fahrt. Der Kapitän will aber natürlich die Termine einhalten.«

»Das hätte ich vorher wissen müssen. In den Prospekten stand davon nichts.«

»In ein paar Stunden legen wir wieder an«, sagte er tröstend.

»Bis dahin bin ich tot.«

»Sicher nicht. Sie werden sich an den Seegang gewöhnen. Das macht jeder mal durch.«

»Sie auch?«

»Aber sicher.«

Eva begann sich jetzt, da der Sturm ihr um die Ohren pfiff, besser zu fühlen. Der gewaltige Anblick der rollenden Wellen lenkte sie von ihrem eigenen Elend ab. Aber sie waren nicht allein an Deck. Auch andere Passagiere hatten den Einfall gehabt, sich nach draußen zu retten. Gerade als sie sich bei Simon bedanken wollte, hörte sie ganz in der Nähe ein Würgen und ein Platschen. Gleich darauf stieg ihr der widerliche Geruch von Erbrochenem in die Nase. Ihr Magen hob sich schmerzhaft.

»Bringen Sie mich hier weg, Simon! Bitte, schnell!« keuchte sie; es wäre ihr entsetzlich gewesen, sich in Anwesenheit dieses netten jungen Mannes übergeben zu müssen.

Er verstand ihre Situation. »Ich begleite Sie zu Ihrer Kabine«, erbot er sich sofort und nahm wieder ihren Arm.

Wegen des Seegangs war der Lift abgestellt worden, und sie mußten sich die Treppe hinunterkämpfen.

»Ziehen Sie Ihre Schuhe aus!« befahl Simon.

Sie verstand erst nicht, folgte dann aber seinem Rat. Auf nackten Füßen ging es etwas besser. Aber wenn Simon nicht gewesen wäre, der routiniert sein Gleichgewicht hielt, wäre sie nie zu ihrer Kabine gekommen.

»Der Schlüssel!« fiel ihr ein, als sie das Lyra-Deck erreicht hatten. Ich habe den Schlüssel nicht dabei!«

»Macht nichts. Setzen Sie sich auf die Stufen und halten Sie sich fest. Rühren Sie sich nicht von der Stelle, bis ich wiederkomme.«

In wenigen Minuten, die Eva wie eine Ewigkeit schienen, war er zurück, in Begleitung eines alten, sehr müden Stewards. Er half ihr hoch, nahm sie fest in den Griff und führte sie so zur Tür ihrer Kabine. Sie wunderte sich kurz, wieso er ihre Nummer wußte, war aber nicht imstande, darüber nachzudenken.

Der Steward schloß auf und sagte auf griechisch etwas zu dem Zahlmeister, das wie ein Fluch klang.

»Soll ich Ihnen helfen?« fragte Simon. »Ich könnte Ihnen eine Frau schicken...«

»Nein, danke! Danke für alles!« konnte Eva gerade noch hervorbringen und stürzte in die Kabine.

Mit knapper Not erreichte sie das Bad, wobei sie sich einige Male schmerzhaft stieß, und erbrach sich heftig in die Kloschüssel. Es tat ihr nicht leid um das gute Weihnachtsdinner; sie erhoffte sich Erleichterung. Aber die Besserung, die folgte, war nur vorübergehend. Ohne sich abzuschminken und angezogen, wie sie war, warf sie sich auf das Bett. Nie im Leben hatte sie sich vorgestellt, daß ihr so sterbensübel sein könnte.

Sie hörte, daß an die Tür der Kabine geklopft wurde. Vielleicht hatte Simon ihr doch eine Frau zur Hilfe geschickt. Aber sie hatte nicht die Kraft aufzustehen und wollte auch keinen Menschen sehen.

Hilde kam eine Stunde später, und ihr vergnügtes Trällern verstummte erst, als sie sah, in welchem Zustand Eva war. »Mein armes Häschen«, sagte sie, aber in ihrem Mitleid schwang auch eine Spur von Spott und Verachtung mit, »komm, ich helfe dir aus dem Kleid.



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