Pesch, Helmut W. by Die Kinder der Nibelungen

Pesch, Helmut W. by Die Kinder der Nibelungen

Autor:Die Kinder der Nibelungen
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-03-21T15:04:14+00:00


7

In den Verliesen der Erde

Siggi und Gunhild hetzten durch die Gänge. So schnell es ging, lief Laurion vor ihnen her. Ohne Rücksicht auf die Lautstärke gab er Anweisungen, wenn sie nach links oder rechts ausweichen mussten.

Yngwe folgte ihnen wie ein Schatten.

Hinter ihnen wurde das Poltern immer lauter, und Siggi wagte während des Rennens einen Blick über die Schulter, konnte aber, da sie gerade durch eine lang gezogene Rechtskurve liefen, nicht sehen, was hinter ihm diesen Krach machte. Aber eines war klar: Der Lärm kam von Sekunde zu Sekunde näher.

Das bedrohliche Poltern schien Laurion anzuspornen. Mit unglaublicher Sicherheit lief der junge Lichtalbe durch den Gang, wich, ohne zu zögern, auf die linke oder rechte Gangseite aus.

Siggi und Gunhild hetzten auf den leichten Stiefeln der Lios-alfar hinterdrein, angetrieben von Yngwe, der hinter ihnen herkam.

»Schneller«, drängte er. »Lauft!«

Siggi versuchte zu erkennen, ob es eine Abzweigung oder Kreuzung gab, aber nichts dergleichen war zu erkennen. Sie rannten wie in einen Schlauch hinein, und von hinten kam das Krachen und das Mahlen von Fels auf Fels immer näher.

Beim Laufen fiel Siggi auf, dass der Gang oben angeschrägt war, fast wie eine Bahn – eine Bahn für eine Kugel.

O nein!, schoss es ihm durch den Kopf.

Siggi riskierte noch einen Blick über die Schulter – und noch im selben Moment wünschte er sich, er hätte es nicht getan.

Ein riesiger Felsen rollte durch den abschüssigen Gang hinter ihnen her, und das Ding kam immer näher. Das Geräusch übertönte alles; das entsetzliche Mahlen war wie der Rhythmus des Todes und das Poltern des Felsens die Melodie dazu.

Sie würden zerquetscht werden, wenn nicht bald eine Abzweigung oder eine Kreuzung auftauchte. Der Riesenfelsen mochte noch fünfzehn Schritt hinter ihnen sein und kam immer näher, da der Gang zudem noch mit allen möglichen anderen Todesfallen durchsetzt war, auf die sie zu achten hatten.

Die Gefahr verlieh Laurion Flügel. Mit sicherem Instinkt schien er zu ahnen, wohin er ausweichen musste, aber auch er musste wissen, dass sie keine Chance mehr hatten. Doch stehenbleiben und das sichere Ende offenen Auges erwarten, wollte er auch nicht.

Noch waren sie nicht überrollt, noch liefen sie, noch waren sie am Leben. Siggi spürte in sich etwas, das sich gegen das Aufgeben wehrte, das sich weigerte, das Ende als unvermeidlich hinzuneh-men.

Und doch, die Schräge des Ganges verstärkte sich, und so würde die Felskugel an Geschwindigkeit gewinnen, während sie wegen der Fallen aufpassen mussten – etwas, worauf die Felskugel keine Rücksicht zu nehmen brauchte. Obwohl, fragte sich Siggi, wo war da der Unterschied: Von einem Felsen überrollt oder von einer giftigen Speerspitze aufgespießt zu werden, das Ergebnis blieb dasselbe …

Aber vielleicht war das Unausweichliche doch nicht so unausweichlich. Würde ihre beiden Begleiter sie sonst so antreiben, wenn sie nicht noch den Hauch einer Chance sahen? Oder war es nur ihre Ausbildung als Krieger, welche die Lios-alfar davon abhielt, aufzugeben?

Siggi riskierte wieder einen kurzen Blick, und er konnte sich der Faszination der Felskugel nicht entziehen, die mit zunehmender Geschwindigkeit hinter ihnen hergerollt kam. Die Präzision der Steinmetze war ungeheuerlich; der Stein passte fast genau in den Gang.



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