Peers Insel by de Jonge Harm

Peers Insel by de Jonge Harm

Autor:de Jonge, Harm [de Jonge, Harm]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Gifthahnenfuß

Ich habe mich oft gefragt, warum Peer so ruhig blieb, warum er nicht wütend wurde — auch nicht, als er genau wusste, was mit ihm geschehen würde. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich reagiert hätte, wenn ich so krank gewesen wäre. Wäre ich nicht furchtbar wütend geworden oder so traurig, dass nichts mehr mit mir anzufangen gewesen wäre? Wie konnte Peer nur immer wieder so gute Laune haben? Glaubte er wirklich an Ataland und machte er sich darum keine Sorgen mehr über alles, was hier passierte? Oder konnte er einfach nicht wütend werden? Eigentlich habe ich ihn nur ein einziges Mal richtig fuchsteufelswild erlebt. Das war auf einer von Reeboers prächtigen Exkursionen, als Peer noch ganz gesund war.

Wir liefen schon eine Stunde durch eine Sumpflandschaft, als Reeboer uns anhalten ließ. Ich sah, dass er grinsend zu Beryl schaute. Er konnte zickige Mädchen nicht ausstehen und ließ uns wahrscheinlich absichtlich durch den Schlamm waten, damit Beryls glänzende Stiefel nass und dreckig wurden. Im Biounterricht ließ er auch die meisten Klassen Löwenzahn sezieren, während er für uns immer Gewölle, Froschlaich und Kuhaugen mitbrachte. Und dann führte er seine Schneidekünste am liebsten so vor, dass ein wenig Glibberzeug auf Beryls piekfeine Bluse fiel.

»Meine Damen und Herren«, sagte Reeboer, »wir befinden uns hier inmitten einer höchst interessanten Vegetation.«

Er zeigte auf eine Pflanze, deren Blätter so knitterig waren wie das Gesicht eines alten Mannes.

»Marcel, erzähl uns mal, wie dieses Gewächs hier heißt.«

Marcel drehte seinen Absatz in die Erde und rollte hinter der Brille mit den Augen. Er war sauer, weil er es nicht wusste. Einige atmeten erleichtert auf. Wenn Marcel den Namen nicht wusste, konnte jemand anders ihn auch nicht wissen. Ich stand neben Peer und an seiner anderen Seite stand Slikkie. Ich habe nicht gesehen, dass er Slikkie etwas vorsagte, aber doch muss es so gewesen sein.

»Ranunkelknautschblatt«, sagte Slikkie.

»Woher weißt du das?«, heuchelte Peer.

»Sehr gut, auch wenn du nicht an der Reihe warst«, sagte Reeboer. »Hätte ich ehrlich gesagt gar nicht von dir erwartet, Slikkie.«

Slikkie strahlte und nickte zu allen Seiten. Peer schlug ihm auf die Schultern, Francien johlte und versuchte springend einen Ast zu erwischen, Mirjam lachte mit wackelndem Busen, aber Marcel guckte bitter vor sich her.

»Ranunkelknautschblatt«, wiederholte Slikkie zufrieden. Dieses Wort würde ein Leben lang in seinem leeren Kopf hängen bleiben.

»Das Ranunkelknautschblatt«, sagte Reeboer, »gehört zur Familie der Hahnenfußgewächse, genau wie die Butterblume. Es gibt verschiedene Merkmale, aber sie haben alle gemeinsam, dass sie giftig sind. Zum Beispiel der Gifthahnenfuß: das Besondere ist, dass...«

»Peer hat es ihm vorgesagt«, schrie Marcel plötzlich.

»Hm?«, fragte Reeboer.

»Ja, das wäre ja noch schöner«, schimpfte Peer.

»Wie kann er das sonst wissen?«

»Du bist nicht der Einzige, der etwas weiß, Bücherwurm. In Slikkies Kopf ist nicht genug Platz für alle englischen Vokabeln. Aber in ebendiesem Kopf befindet sich gleichzeitig ein bewundernswertes Wissen über die Natur. Vergiss das nicht. Hier.«

Peer stellte sich auf die Zehenspitzen, strich über die weißen Stoppelhaare und klopfte auf die Stelle, wo sich der Hinterkopf hätte befinden müssen. Slikkie brummte wie ein zufriedener Bär. Reeboer zupfte an seinem Bart und grinste.



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