Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer by Hoffmann Gabriele
Autor:Hoffmann, Gabriele [Hoffmann, Gabriele]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Insel Verlag
veröffentlicht: 2015-05-17T16:00:00+00:00
3.
Die Gefahr, dass Preußen und Österreich gegeneinander Krieg führen, wächst. Bismarck hat seinen Plan, Deutschland in zwei Interessengebiete zu teilen, noch nicht aufgegeben – den Norden für Preußen, den Süden für Österreich. Aber in Wien werden die Minister, die für einen friedlichen Ausgleich sind, von Hardlinern weggedrängt, die eine Vormacht über ganz Deutschland anstreben. Bismarck sitzt Tag und Nacht in seinem Arbeitszimmer.
Im großen Salon versammeln sich abends die Gäste am Kaminfeuer, und es herrscht die friedliche, heitere Stimmung der ersten Zeit in der Wilhelmstraße. Johanna geht es besser, sie ist wieder unternehmungslustig, geht manchmal in Konzerte, die so früh enden, dass sie kurz nach 9 Uhr am Teetisch sitzt. Sie möchte da sein, falls Bismarck sich unterhalten und entspannen will. Die Gräfin sei natürlich mit seinen Bestrebungen vertraut, meint Keudell im Gegensatz zu anderen Beobachtern, doch Bismarck versuche, ihr die Kenntnis der täglichen, oft unerfreulichen Zwischenfälle zu ersparen. Für ihn sei es eine Erholung, im Familienkreis kein Wort von Politik zu hören und von harmlosen Dingen zu sprechen.
212In den ersten vier Monaten des Jahres 1866 nehmen die wechselseitigen Provokationen Österreichs und Preußens in Holstein und am Bundestag in Frankfurt zu. Ein Krieg scheint unvermeidlich zu sein. Frankreich ist bereit, sich herauszuhalten, aber Napoleon III. will dafür einen Teil des Rheinlands haben.
Bismarck geht ein Problem nach dem anderen an, das ist seine Stärke. Aber diese Monate kosten ihn Kraft, er ist überarbeitet, isst zu viel, hat heftige Magenkrämpfe, schläft schlecht, ist reizbar und dauernd verärgert. Er will nicht nur alles in der Hand behalten, er arbeitet auch allein – einsam, sagt Keudell. So weit er weiß, hat Bismarck »niemals irgend einen Plan in Gemeinschaft mit einem seiner Räte erwogen oder entworfen«. Keudell kennt seinen überreichen Geist schon lange, der ihm für jedes Problem mehrere Lösungswege und ihre Kombinationen bietet. Bei dieser rastlosen inneren Arbeit ist ihm der Rat anderer nur eine Störung.
Wenn Bismarck sich für eine Lösung entschieden hat, muss er den König von ihr überzeugen. Er hält ihm jeden Tag zwischen vier und fünf Uhr Vortrag in seinem Palais unter den Linden – der König will nicht im ungemütlichen Stadtschloss leben. Bismarck schätzt ihn immer mehr, beginnt, ihn zu verehren. Manchmal gibt es Reibereien zwischen ihnen, manchmal ernsten Streit. Der König lehnt Bismarcks Anträge selten völlig ab, meist gibt er ihnen eine etwas andere Richtung.
Doch oft hemmen Intrigen am Hof den König, Entscheidungen zu treffen. Jetzt ist die königliche Familie gegen den Krieg mit Österreich. Minister nennen Bismarcks Politik »gottlos«, Bürger spucken auf der Straße vor ihm aus, und die liberale Presse greift ihn an, eine süddeutsche Zeitung will den« Reichsverräter« am Galgen sehen.
Am 23. April 1866 entschließt der König sich zum Krieg. »Otto ist darüber fast gesund geworden«, schreibt Kriegsminister Roon seinem Neffen Moritz, »man kann wieder 213hoffen, daß es bald wieder gut mit ihm gehen werde, besonders, wenn er das nächtliche Arbeiten aufgeben wollte.« Roon bereitet den Krieg mit Generalstabschef Helmuth von Moltke ruhig vor, aber andere alte Freunde unter den Konservativen aus Pommern sind aufgestört. Ludwig von
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