Onkelchen by Fatah Sherko

Onkelchen by Fatah Sherko

Autor:Fatah, Sherko [Fatah, Sherko]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00


Rahman war schweigsam geworden, seit sie in der Stadt angekommen waren. Anfangs führte Michael das auf die neue Situation inmitten seiner Verwandten zurück. Doch mehr und mehr wurde ihm klar, daß ihn Rahman zwar im Auge behielt, aber mied. Nie zuvor hatte Michael ihn so erlebt; all die smarte Selbstherrlichkeit war einer fast angestrengten Zurückhaltung gewichen, unter der er zwar litt, die er aber dennoch nicht aufzubrechen wagte.

Das Problem mit dem für ihn abgestellten Begleiter mußte Michael ihm aber vortragen. Der Mann störte ihn. Die Höflichkeit gebot es, ihn unterwegs nicht abzuschütteln oder auch nur außer Atem zu bringen. Das aber bedeutete, ihn ständig in der Nähe und auch in seinen Gedanken zu haben.

Am Spätnachmittag des dritten Tages sprach er Rahman darauf an. Der saß neben der großen Kühltruhe in der Küche und breitete gerade den Inhalt seiner Hosentasche auf dem Tisch vor sich aus. Durch das Fliegengitter der Küchentür fiel feines Licht. Michael blickte hinaus auf die wenigen Trittsteine, die vor dem Fenster zum eisernen Gartentor führten.

»Du mußt mir etwas erklären«, sagte er.

Rahman blickte überrascht auf. Offenbar hatte er mit nichts weniger gerechnet, als in der Küche überrascht zu werden.

»Warum ist dieser Mann ständig um mich, ohne daß du mir etwas dazu sagst?«

»Was soll ich dir dazu sagen?« antwortete er barsch und machte dann eine Pause, ohne sich jedoch den Dingen auf dem Tisch wieder zuzuwenden. Schließlich fügte er an: »Es ist nur zu deinem Schutz.«

»Schutz? Wovor denn eigentlich?«

Schon wurde Rahman ungeduldig und erhob sich. »Es kann hier jeden Moment geschossen werden, du weißt es. Wahrscheinlich war es ein großer Fehler, mit dir zu dieser Zeit hierher zu kommen. Aber jetzt habe ich die Verantwortung.«

Gern hätte Michael ihm erklärt, daß er sich auch selber vorsehen könne. Aber er ahnte, daß Rahman das egal war. Und plötzlich, während er weitersprach, wurde Michael klar, daß Rahman jene Verantwortung vor allem in den Augen seiner Verwandten übernommen hatte und daß genau aus diesem Grund der Einspruch dagegen nichts bewirken würde.

»Der Mann heißt übrigens Hamza«, sagte Rahman. »Ich habe ihm gesagt, daß er dich nicht stören soll.« Michael nickte gleich mehrmals, um auch nicht den Anschein einer Beschwerde über den Mann entstehen zu lassen. »Worum es geht, ist, daß du den Basar, zumindest aber die Altstadt nicht verläßt.« Er wollte aus der Küche gehen, wandte sich dann aber fast widerwillig doch noch einmal um. »Es ist zu gefährlich«, sagte er und: »Nur für ein paar Tage.«

Michael blieb allein in der Küche mit dem sicheren Gefühl, abgefertigt und stehengelassen worden zu sein. Er hatte ihn noch an sein Versprechen erinnern wollen, ihn zum Haus Omars zu führen. Stattdessen betrachtete er jetzt, was Rahman auf dem Tisch liegengelassen hatte.

Fein säuberlich ausgebreitet fand er dort ein grau gewordenes Stofftaschentuch vor, ein großes Schlüsselbund und ein Foto. Nach mehrmaligem Betrachten erkannte er es: Es war die Aufnahme Omars, die Thomas in der Werkstatt gemacht hatte. Beim Anblick der unverputzten Wand im Hintergrund empfand Michael wieder die Kälte und Verlorenheit des damaligen Abends. Das Holz des Bilderrahmens war zu sehen, es ragte an einigen Stellen, oben vor allem, in das Foto.



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