Nilufar by Mahmud Doulatabadi

Autor:Mahmud Doulatabadi [Doulatabadi, Mahmud]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Arabien, Asien, Iran, Liebe, Mahmoud Dowlatabadi, Mahmud Dowlatabadi
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-11-19T16:00:00+00:00

Ich werde ihn aus den geübten Händen von Meister Sarif empfangen und ihn vor den Spiegel halten, ich wiederhole: vor den Spiegel! Die Waffe hat eine scharfe, glänzende Spitze und ist zweischneidig und leicht. Die Spitze ist scharf wie eine Nadelspitze, so wollte ich es haben. Ein großes Lob für den Meister! Der Griff ist überzogen mit Rehhaut. Alle meine Gedichte werde ich den schlanken, flinken Fingern von Meister Sarif widmen. Ich sehe die Freudentränen in seinen Augen, die an die Augen meines Vaters erinnern. Ich küsse seine Hände und seine Schulter. Und als ich über seine dürren Schultern schaue, sehe ich einen abgetragenen grauen Regenmantel, der an einem Nagel an der Wand hängt. Bevor ich den Dolch in die Tasche stecke, macht der Meister mich auf einen trockenen Blutstropfen auf der Klinge aufmerksam, den man nicht abwischen kann. »Das Blut ist alt, mein Herr. Haben Sie die Geschichten über ein Herz voller Blut gelesen?«

Ich verstehe und schaue ihn nur an. Die Dinge ändern sich nicht mit dem Kalender, und das Leben setzt sich in anderen Körpern fort, in den Händen und Augen von Meister Sarif und in meinem Herzen und meinen Gefühlen. Also übergebe ich mich meiner Seele und gehe zur Gasse, bleibe kurz an ihrem Ende an einer Gabelung stehen. Hier kann ich sein, wie ich möchte. Niemand kann meinen Geist, meine Seele, meine Gedanken erkennen.

Die Haustür öffnet sich, der robuste Mann betritt den Flur und knallt grob die Eisentür zu, so laut, dass alle Bewohner des Hauses es hören. Ein Beben durchzieht ihre Körper, sogar Djan Badji beginnt zu zittern. Obwohl sie den Mann nicht fürchtet und stolz ist, dass sie einen Menschen großgezogen hat, vor dem sich alle fürchten. Er stützt sich nicht an der Wand, taumelt auch nicht, er schreitet aufrecht durch den Flur, steckt den Kopf durch die Tür ins Zimmer. Sein schlechter Mundgeruch breitet sich im Raum aus. Er schaltet das Licht im Zimmer neben dem Hof ein. Dort ist niemand. »Wo seid ihr alle«, schreit er und hört, wie jemand »Allah Akbar, Gott ist groß« ruft. Mutter ist also im anderen Zimmer beim Abendgebet und hat gerufen, um sich bemerkbar zu machen, ohne das Gebet abzubrechen. Er stützt die Arme an den Türrahmen und streckt Kopf und Brust nach vorn, blickt ins Zimmer, dann geht er in den Hof zum kleinen Wasserbecken. Er begießt Kopf und Hals mit einem Wasserschlauch, um sich abzukühlen, spült seinen Mund, und als er sich aufrichtet, stößt er einen lauten Schrei aus der Tiefe seiner Lunge. Der Schrei wirbelt durch das ganze Haus und schreckt die Schwestern auf, die schnell zum Fenster rennen, leise den Vorhang zur Seite schieben, so weit, dass sie in den Hof schauen können. Es ist nicht klar, wer von ihnen ihn zum Teufel wünscht, vielleicht kam der Fluch von beiden gleichzeitig. Er kam vom Herzen, erreichte die Zunge und wurde, halb ausgesprochen, in der Brust erstickt. Die Fenster sind geschlossen. Die Stimme im Radio im oberen Stock schweigt für einige Augenblicke, ist aber dann wieder, vermischt mit Störgeräuschen, zu hören.

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