Niemandsland by Brothers Caroline

Niemandsland by Brothers Caroline

Autor:Brothers, Caroline [Brothers, Caroline]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2015-06-29T16:00:00+00:00


»Hier haben wir wieder ein paar für euch«, sagt der französische Beamte, als sie die italienische Polizeiwache betreten. Auf einem Computerbildschirm sieht Aryan rote und schwarze, in Reihen angeordnete Spielkarten.

»Und, wo soll’s hingehen?«, fragt der italienische Polizist, als der französische Transporter abgefahren ist. Die Knöpfe seiner Jacke spannen sich über seinen Bauch. Der junge Leutnant neben ihm begutachtet sie mit den Augen eines Frettchens.

»England«, sagt Aryan.

»Wie alt ist er?«, fragt er und nickt in Kabirs Richtung.

»Acht«, sagt Aryan.

Der Mann flucht. »Die werden von Tag zu Tag jünger«, sagt er zu seinem Kollegen. »Ich sperr doch keine Kinder weg.«

Er wendet sich Aryan zu. »Macht, dass ihr hier wegkommt«, sagt er. »Ich will euch nie wiedersehen.«

Aryan schätzt, dass sie sich in einem der kleinen italienischen Grenzorte befinden, die sie aus dem Zugfenster gesehen haben. Vielleicht Ventimiglia, die Stadt, von der Rahim gesprochen hatte. Er weiß, dass es Kabir besser gehen wird, wenn sie etwas zu essen finden.

In einer schmalen Straße entdecken sie einen Imbiss, wo es Pizza und Pommes frites gibt. Aryan zählt seine Münzen und stellt eine Dose Cola aus dem Kühlschrank dazu. Sie setzen sich auf ein Mäuerchen und lassen die Beine baumeln, ohne die Möwen zu beachten, die laut kreischend ihren Anteil der Mahlzeit einfordern.

Kabir leckt sich das Salz von den Fingern und wischt die fettigen Hände an seiner Hose ab.

»Wir werden zu Fuß gehen müssen«, sagt Aryan, »wie Rahim gesagt hat. Schaffst du das?«

»Wie weit ist es?«, fragt Kabir.

»Dieselbe Strecke, die wir im Polizeitransporter zurückgelegt haben.«

Kabir überlegt. »Und was ist mit deinem Knöchel?«, fragt er.

»Wird schon gehen. Wenn ich wieder Schmerzen habe, laufen wir eben langsamer.«

»Wenn wir am Strand entlanggehen, ist es vielleicht kürzer.«

Sie folgen den honigmelonenfarbenen Straßen bis zum Meer. Eine Jacht müht sich, anzulegen. Eine Dreiergruppe Frauen tauscht Tratsch aus, die Verdecke ihrer Kinderwagen sehen aus wie Flüchtlingszelte. Sie knöpfen sich die Strickjacken zu, als der Wind ihnen die Röcke gegen die Beine peitscht.

Niemand beachtet die beiden Jungen.

Es ist das erste Mal, dass sie das Meer sehen, abgesehen von den kurzen Blicken, die sie vom Zug aus darauf erhaschen konnten, und den blauen Küstenstreifen in Genua.

Kabir ist hin und weg. Er prescht durch den Sand und die Kieselsteinbänke. »Wer zuerst am Wasser ist«, ruft er Aryan über die Schulter hinweg zu, und seine zu lange Hose schlackert gegen die zu kurzen Beine.

Am Ufer, wo die rutschigen Steine gegeneinanderklackern, stolpert er über seine eigenen Beine. Stirnrunzelnd rappelt er sich hoch, massiert sich den Abdruck der Kieselsteine aus den Knien.

Aryan lacht. »Schöner Abgang!«, ruft er.

»Ich hab gewonnen!«, sagt Kabir, nachdem er wieder Atem geschöpft hat, und als Aryan hinzukommt, reckt er triumphierend die Faust in die Höhe. »Meinst du, das ist echtes Salzwasser?«

»Probier’s und sag mir Bescheid.«

Kabir spuckt das salzige Wasser wieder aus und verzieht das Gesicht.

»Jetzt kannst du auch gleich ganz reingehen«, sagt Aryan mit Blick auf die Hochwassermarke an Kabirs Jeans.

»Brrrrr – viel zu kalt!«, sagt er. »Warum hat das Meer zwei verschiedene Blautöne?«

»Weiß ich nicht«, sagt Aryan. »Vielleicht lauern im dunklen Teil die Haie und warten, dass du ins Wasser kommst.



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